An der Kasse erschien mir das Schokoladeneis mit Browniestückchen (500ml), welches ich hungrig und unterzuckert auf dem Weg nach Hause gekauft hatte, noch eine sehr gute Idee zu sein. Im Grunde sogar als die einzig Logische und Vernünftige in dieser Situation. Endlich hatte es sich mal gelohnt, neben dem Taschenmesser und dem dreiteiligen Nagelpflegeset auch immer einen Löffel im Rucksack zu haben. Für Notfälle wie eben diesen.
Schon auf dem S-Bahnsteig kamen mir aber die ersten Zweifel. Nicht wegen der zu erwartenden Übelkeit am Boden des Pappbechers oder der unvermeidbar darauf folgenden Selbstverachtung, sondern weil ich in meiner Gier die Existenz anderer Menschen auf dem Heimweg komplett vergessen hatte – die mich mit dieser Gier beobachten. Das Eis heimlich hinter dem Bahnhof essen war aber keine Option. Warten auch nicht, denn Eis schmilzt. Also musste ich versuchen möglichst cool zu bleiben und gelangweilt aussehen. Als wäre es das normalste und alltäglichste der Welt an regnerischen Septemberabenden in der S-Bahn einen großen Becher Schokoladeneis zu löffeln. Alles eine Frage des Selbstbewusstseins.
Soweit der Plan. Leider war die Bahn aber sehr voll. So voll, dass kein Sitzplatz mehr frei war, aber gleichzeitig irgendwie doch leer genug um von jeder Position im Waggon aus bequem beobachtet werden zu können. In den Blicken der Anwesenden entdeckte ich Neid, Bewunderung und Verachtung, aber vor allem viel Aufmerksamkeit für mein Vorhaben. Außerdem stellte sich schnell heraus, dass ich unterschätzt hatte, wie schwer es ist freihändig in der fahrenden S-Bahn Eis zu löffeln und dabei gelangweilt auszusehen. – Verdammt.
Nur so viel: Mit solch betont lässig und gleichzeitig konzentrierter Körperspannung habe ich mich vorher noch nie irgendwo angelehnt. Das Eis war auch ganz OK. Glaube ich. Dafür hat die Aufmerksamkeit leider nicht mehr gereicht.