Mein Rucksack muss in den letzten Tagen wohl länger auf einem feuchten Untergrund gestanden haben. Das für die Hochzeit eingepackte Hemd ist nicht nur klamm, sondern hat auch gelbe Stockflecken bekommen. Mein einziges sauberes und unverschwitztes Oberteil ist das Hemd, das ich am Morgen geschenkt bekommen habe. Es ist kurzärmlig, aus Seide, hat ein Ethnomuster und einen tiefen Ausschnitt, aber in der Einladung stand „tragt, worin ihr euch wohlfühlt“. Über das Wohlfühlen bin ich mir unsicher, aber nach einem besonderen Anlass sieht es auf jeden Fall aus.
Am Nachmittag wird ein Gruppenfoto gemacht, und zwar als Silberfotografie, was besonders kontrastreiche Schwarz-Weiß-Bilder produziert und wir müssen alle zehn Sekunden stillhalten, um nicht als verschwommene Geister verewigt zu werden. Auf dem fertigen Bild steche ich heraus, wie ein Sektenführer in einer True Crime Doku, auf den langsam in Archivmaterial herangezoomt wird. Danach kommt ein Interview mit einem Zeitzeugen und danach Bilder von Schlagzeilen aus den regionalen Zeitungen. Hätte man zu diesem Zeitpunkt schon ahnen können oder müssen, wohin das außer auf die Tanzfläche noch alles führen würde? Es folgt ein Statement von einem Experten für schottischen Whisky.