Monat: September 2018

30.09.2018

Die Katzen und ich versuchen den angelnden Männern am Fluss aus dem Weg zu gehen. Ich misstraue der Kombination aus Jogginghose und Quad mit Runenschriftzug. Bei den Katzen liegt es vielleicht eher an den Zigaretten. Sie lassen sich nicht streicheln, dabei hätte der Ort etwas Liebe verdient.

Auf dieser Seite des Waldes werden nur die Ruinen mit Blick aufs Wasser restauriert. Ferienwohnungen mit Blick auf geschlossene Drogeriemärkte lohnen sich noch nicht. Aber schon ein paar Kilometer weiter nördlich stehen zwischen bunten Feldern  Passivhäuser mit großen Fensterfronten, verwilderten Naturgärten und mit Berliner Kennzeichen. Laut Infotafel alles ohne Gentechnik, Pestizide und für die Insekten.

Die umliegenden Wanderwege sind fast leer. Mir begegnen vereinzelnd mittelalte Paare mit Ausflugsroutine. Er trägt einen breitkrempigen Hut und einen kleinen Rucksack mit der Wasserflasche und einer Packung Vollkornkeksen, sie zum dunklen Fleecepullover ein buntes Halstuch. Die Sonne scheint, aber sicherheitshalber liegen im Kangoo auf dem Parkplatz vor dem Hofcafé die Regenjacken.

29.09.2018

Wolfram Eilenberger: Zeit der Zauberer. Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919 – 1929

Es geht um Wittgenstein, Benjamin, Heidegger und Cassirer. Letzteren kannte ich vorher gar nicht, denn er fällt etwas aus der Reihe heraus. Das ist erhellend und beruhigend. Es geht also auch ohne großes Ego. Nur verkauft man dann halt weniger Fanartikel. Lust habe ich jetzt aber auf alle vier. Eilenberger serviert Philosophiegeschichte als mehrstündiges kommentiertes Fußballspiel in kleinen, gut verdaubaren Portionen. Zwischendurch liest sich das Ganze dadurch manchmal wie eine NTV-Dokumentation. Die biografischen Schicksalsstunden und imaginierte Gegenüberstellungen zwischen den Theoriepassagen tun dem Buch aber sehr gut.


Sally Rooney: Normal People

Über mehrere Kapitel habe ich geglaubt, die Handlung spiele im mittleren Westen der USA, bis Figuren plötzlich anfangen regelmäßig nach Dublin zu fahren. Eigentlich ist Ort aber austauschbar. Und auch die Sprache versucht der Handlung so sehr aus dem Weg zu gehen, dass sie beim Lesen angenehm bis irritierend egal wird. Das Buch wird dadurch zur fesselnden Wegleselektüre, aber bleibt wahrscheinlich nicht in Erinnerung. Und selbst das tut nicht weh.

28.09.2018

Erich Fromm (1989): Vom Haben zum Sein

„Ich bin, was ich bewirke – was ich bin“, (und das ist gut so) statt: „Ich bin was ich habe.“

Zwar gilt:

Erich Fromm nahm das Kapitel über die „Schritte zum Sein“ wieder heraus, weil er glaubte, sein Buch könnte missverstanden werden, so als ginge es nur darum, dass jeder sein Seelenheil in Selbsterfahrung, Selbstentwicklung und Selbstanalyse suche und auf diese Weise die neue, am Sein orientierte Gesellschaft glaube heraufführen zu können. Die Wurzeln des für eine Überflussgesellschaft, die alles hat, typischen Massenphänomens der Orientierung am Haben sind in den ökonomischen, politischen und sozialen Gegebenheiten der modernen Industriegesellschaft, in ihrer Arbeitsorganisation und in ihrer Produktionsweise zu suchen.

Aber halt auch:

Gewahrwerden, Wille zur Veränderung, Übung, das Zulassen von Angst und neuen Erfahrungen sind vonnöten, wenn die Verwandlung des Individuums gelingen soll. […]

Der erste Schritt um die Selbstsucht zu überwinden, beruht auf der Fähigkeit, sich ihrer Gewahr zu sein. Der zweite Schritt ist, sich der Wurzeln der Orientierung am Haben bewusst zu werden. Aber die Erkenntnis dieser Wurzeln allein genügt noch nicht. Sie muss begleitet werden von praktischen Veränderungen. Zuerst muss man sich aus ihrem Griff zu befreien versuchen, indem man das, woran an sich festhält, loszulassen beginnt. Dann wird man die Angst spüren, sich selbst zu verlieren. Diese entwickelt sich, wenn man Dinge verliert die als Krücken für das eigene Selbstgefühl gedient haben. Es geht dabei um das Aufgeben von Haltungen, vertrauten Gedanken, der Identifikation mit dem eigenen Status, von gewohnten Phrasen, dem Bild, das anderen von einem haben und das man anderen gegenüber von sich zeichnet. Es gilt alles gewohnheitsmäßige Verhalten zu verändern, den Gewohnheiten beim Frühstück bis hin zum Sex. Dieser Prozess muss vom Versuch begleitet sei, aus sich herauszugehen und sich anderen zuzuwenden: Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf andere aus, auf die Welt der Natur, der Ideen, der Kunst, auf gesellschaftliche und politische Ereignisse, sodass wir an der Welt außerhalb unseres Egos interessiert sind. Interesse zu entwickeln, bedeutet kein Außenseiter zu bleiben, kein Betrachter, der von dem getrennt ist, was er sieht.

 

27.09.2018

Alltagsglückszeitparadoxon, das

Dinge die man ich direkt nach dem Aufstehen tun sollte gerne tun würde um ein besseres, erfüllteres und überhaupt seinsorientierteres Leben zu führen besser durch den Tag zu kommen: Joggen, Yoga, Meditieren und Schreiben.

Dinge die in dieser Liste nicht vorkommen: Andere Menschen und Frühstück.

26.09.2018

Die Stimme im Bus spricht das », Dorf« wie einen Vorwurf aus.
Träumt sie von der großen Stadt? Mein Zimmer wäre dann jetzt frei.

25.09.2018

Ich mache die Hintergrundmusik und du moderierst ab, du dib du dib du dib du dabidi du dib du dib duuaa, du dib du dib du dib du dabidi du dib du dib duaee, du dib du dib du dib du dabidi du dib du dib duuaa, du dip du dib dib .. daaaaeeeeeee, das war doch schön, alles dabei. Nah am Wasser gebaut, aber mir gefällt das.

24.09.2018

Herbstanfang: Die gleichen Gesichter in anderer Kleidung, so lange nicht gesehen, dass ihre Vertrautheit zu wackeln beginnt.

Außerdem: Ein plural-ökonomisches Radiogespräch mit Stimmverlust.