Überall nur Adorno. Zeit für einen Blick in die Minima Moralia?
Jahr: 2019
05.08.2019
Etwas zu verorten oder in ein Verhältnis zu setzen sind beides Beschreibungen von Veränderungen. Formgebende Bewegungen auf etwas zu. Es reicht nicht aus die Fassade eines Hauses beschrieben zu bekommen, um es zu finden. Selbst wenn es eine besonders außergewöhnliche und stadtbekannte Fassade ist, muss ich noch jemanden nach einer Straße, oder zumindest einer Richtung fragen, in der ich dieses Haus finden kann, das angeblich nicht weit von der Kirche weg sei, aber noch vor dem Fluss, der durch die Stadt führt. Und schon beginnt die Erzählung von der Suche. Hat schon zwei Sätze vorher begonnen, als sich die Lücke zwischen dem Hier und dem Da in mir aufgetan hat.
04.08.2019
Als ich wieder auf den Balkon komme beendet der griechische Nachbar gerade auch sein Telefonat. Er wohnt ein Stockwerk unter uns und setzt sich gerne für ein Feierabendbier, die Abendsonne oder ein paar Minuten Abstand von seiner Familie hoch zu uns. Freitag ist er aus Griechenland zurückgekommen. Sein Vater liegt im Sterben, darum sind sie eine Woche länger geblieben, aber jetzt hat seine Schwester angerufen und erzählt, das er nach Hause will, dabei weiß er gar nicht wie schlecht es wirklich um ihn steht. Mit nur ein paar Tagen in Aussicht wollte es ihm niemand … und jetzt sind schon fast zwei Wochen vergangen.
Wir schweigen uns an. Irgendwann wende ich mich wieder meinem Buch zu und er seinem Bier. Navid Kermani beschreibt, wie sein Vater in einer Herzklinik aus der Narkose erwacht und schreiend an den Schläuchen zu zerren beginnt. Er will nach Hause. Und noch bevor ich etwas sagen kann, verabschiedet sich auch der griechische Nachbar.
03.08.2019
Ich habe den Kalendereintrag nicht hinterfragt, sondern für Greta ein Geschenk besorgt und mit Schmuckpapier verpackt, eine Karte geschrieben und alles mit einem Schleifchen fixiert und dann fragt meine Mitbewohnerin auf dem Balkon, warum wir denn schon heute Kuchen essen, wenn sie denn erst Morgen Geburtstag hat, und Greta lacht und sagt, dass sie im März geboren sei und mir schießt die Röte ins Gesicht, aber ich überreiche das Geschenk trotzdem, weil sich hinter dem Berg aus Scham die Menschen anlachen, die ich am liebsten lachen sehe. Vielleicht ist die beste Geburtstagsüberraschung vom eigenen Geburtstag überrascht zu werden.
02.08.2019
Podcasts lassen sich technisch oder als Genre beschreiben. Technisch handelt es sich um abonnierbare, episodische Audioinhalte. Als Genrebezeichnung sind mit dem Label Podcast meist sprachzentrierte und in der Regel dialogische Hörformate gemeint. Das sorgt immer wieder für Verwirrung, denn nicht alle Podcasts sind Podcast, aber eigentlich alle Podcast sind Podcasts, obwohl das so auch nicht mehr stimmt. Das podcasthafte wirkt zurück in die alten Medien, wobei das podcasthafte auch nichts anderes ist als eine Sprechsprachlichkeit und Direktheit, die erst marktkonform wegoptimiert wurde und jetzt in Powerpoint Präsentation zurückgebracht wird. Nur das sie da Storytelling und Authentizität heißt. Kulturpessimistisch bedeutet die neue Mündlichkeit den Untergang des Abendlands, aber vielleicht waren die Massenmedien geschichtlich auch nur eine seltsame Ausnahme und alles wird gut…
Das Fernsehen hatte es leicht, solange es noch ein eigenes Gerät war, das man benennen konnte. Natürlich laufen auch Filme im Fernsehen, aber der Laberpodcast ist wie das Vormittagsfernsehen. Hier entfaltet sich das Medium unter seinen technischen Bedingungen und als Möbel im sozialen Raum. Genauso belächelt.
In der Abonnierbarkeit des Podcasts steckt die Demokratisierung der Produktionsmittel und Verbreitungskanäle, so wie die Entdeckung der Nische als Zielgruppen. Daran ändert auch Spotify nichts. Die Serialität verweist auf den Platz und die Freiheit, die uns im Internet versprochen wurde; Platz für die Entfaltung von Geschichten und als Archiv für Abgeschlossenes zugleich. Auch daran änder Spotify nichts. Auch hinter der Paywall deutet das Abschweifen auf den Kern dessen, was Erzählungen leisten. Benjamin und Brecht hatten sich das anders vorgestellt, aber das hatten wir es uns im Sendegate auch.
01.08.2019
Alles auf 67%. Unzufrieden aber nicht verbittert.
31.07.2019
Podcastidee: Anonyme Anrufer:innen reden über ihre Angst vor der Klimakatastrophe und vor den Faschismus. Ziel ist es der Angst beim Sprechen und Hören Raum zu geben, in Wut zu verwandeln und dann die Welt zu tragen.