Monat: November 2020

30.11.2020

Im Zweifel* Brot backen.

*Die privilegierte Situation, in der ein weißer Mann, konfrontiert mit körperlicher Erschöpfung und geistiger Unterforderung, am Ende des Tages vor einem weiten Möglichkeitsraum steht und sich eingeschüchtert in die Introspektion zurückzieht, um sich der Wahl und der resultierenden Verantwortung für das Ergebnis zu entziehen und den Möglichkeitsraum offen zu halten.

29.11.2020

Die schlechte Laune hatte sich schon am Vorabend angekündigt, die Müdigkeit war wohl ein Effekt und die Kälte eher eine meteorologische Begleiterscheinung. Nach dem Audiowalk (toposoniee::engelbecken) strich ich die veganen Nachtischpläne und entschuldige mich mit Schuldgefühlen, Schokolade und Chips ins Bett, um einen Film (The Million Dollar Hotel [2000, Wim Wenders]) zu schauen. Das hatte ich schon seit Wochen, wenn nicht Monaten nicht mehr gemacht und hätte ich auch nicht, wenn er mir nicht empfohlen worden wäre.

Die Lektion: Auszeiten wieder besser planen, damit sie mich nicht plötzlich als Leerlauf überfallen. Viel zu didaktisch.

28.11.2020

Beerdigungslieder klingen auf einem verstimmten Klavier noch viel trauriger, besonders wenn man alle paar Takte einen Akkord vergreift und nach dem letzten Ton in der Decke Nagetiere zu rascheln beginnen.

27.11.2020

Richtig geile Luxusprobleme. Alle das Ergebnis von Sex, Essen, Zeit und Geld. Vielleicht sollte ich Coach werden oder Webseminare anbieten oder auf Instagram von den tollen Lifehacks erzählen, mit denen ich die Luxusprobleme in Probleme zweiter Ordnung verwandele.

26.11.2020

Natürlich gibt es da eine App für. Meine heißt in der deutschen Übersetzung „Gewohnheiten“ und macht nichts anderes als Häkchen zu setzen und wenn ich will, die Häkchensetzerei auszuwerten. Für jede „Gewohnheit“ lege ich einen Namen, eine Farbe und einen Rhythmus fest und dann hake ich ab. Täglich, wöchentlich, zweiwöchentlich, monatlich oder Y mal pro Zeiteinheit Y. Das war’s. Es gibt keine Erinnerungen, keine Möglichkeit meinen Fortschritt zu teilen und keine motivierenden Sprüche. Ich sehe, an welchen Tagen ich was gemacht habe und wenn in einer Zeile aus einem Häkchen ein Kreuz wird, dann weiß ich, das es mal wieder an der Zeit ist, mich bei Oma zu melden, Sport zu machen, Wintervitamine zu nehmen oder etwas zu veröffentlichen, bei dem ich die Sorge habe, dass dadurch andere merken könnten, wie dumm ich eigentlich bin. Ein Verhalten soll nach ausreichender Wiederholung zur Gewohnheit werden. Die Belohnung sind die Häkchen und der Antrieb die Lücken in der Tabelle. Ist das schon Selbstoptimierungswahn oder eine technologische Stütze für fehlende soziale Kontrollmechanismen in einer vereinzelten Individualkultur?

25.11.2020

Prokrastination ist, wenn man schon Ende November alle Geburtstage in den Kalender des nächsten Jahres einträgt, weil die Nasenhaare schon längst gestutzt sind.

24.11.2020

Angewandte Internetforschung durch den Vergleich von automatisch generierten Collagen, basierend auf Bildersuchanfrangen zu unterschiedlichen Stichwort. Beispiel: Was erzählen die Bilder von Podcast- und Radiostudios über das Selbstverständnis des Mediums?

Die Antwort geht unter, weil ich noch zum Baumarkt und zum Discounter will, außerdem noch Sport machen, etwas basteln und kochen.

„Hättest du mal früher angefangen zu Schreiben und weniger Artikel gelesen oder vorher keine Nachrichten beantwortet oder deine Aufgaben und Ziele heute und überhaupt mal anders priorisiert, dann…”, wäre der Tag nur halb so schön gewesen.