Monat: Februar 2022

28.02.2022

Weil mir nichts besseres einfällt und weil es irgendwie auch aufregend klingt, antworte ich beim Essen auf die Frage, was ich den Rest des Abends noch mache, dass ich noch einen Song schreiben will. Das überrascht mich selber, denn Songs habe ich mir seit meiner Kindheit nicht mehr ausgedacht, da hießen die auch noch nicht Songs, sondern Lieder. Aber warum nicht, denke ich mir und setze mich mit meinem Verdauungstee ans Klavier und fange an, mir einen Popsong herbei zu summen. Es ist kein besonders aufregender Song, eine einfache wiederholende Melodie, eine kurze Bridge und ein Refrain mit Akkorden, dessen Namen ich nicht kenne, aber es ein Song. Dazu kommt ein Text, der aus genuschelten Pop-Phrasen besteht, die rund um die bitte das Herz nicht zu brechen und/oder anzuhalten angeordnet sind, schließlich habe man ja nur eins. An der Stelle breche ich dann aber ab, weil mich der Song schon langweilt, bevor ich ein Ende gefunden habe. Es ist das alte Wiederholungsproblem. Auch tolle Neuentdeckungen kann ich nicht mehr als maximal drei oder vier Mal am Tag hören. An einem Satz kann ich viel länger feilen. Obwohl ich von Musik durchdrungen bin, nutzt sie sich schneller ab.

27.02.2022

Es ist sehr unangenehm, bei einer Schweigeminute zwischen zwanzigtausend hunderttausend Menschen derjenige zu sein, der nichts mitbekommen hat und munter weiter eine Kneipengeschichte zum Besten gibt, bis er von den Umstehenden zischend zurechtgewiesen wird. Noch unangenehmer ist es aber, direkt daneben zu stehen. Für den Angezischten ist die Scham eine Überraschung, ich sehe sie langsam anrollen wie eine Welle, die immer größer wird.

26.02.2022

Als ich an der Stadtgrenze auf zottelige Rinder stoße, bin ich weit genug gefahren, um mich wieder auf den Heimweg zu machen. Hinter den Weiden und Sträuchern ragen der Fernsehturm und Plattenbauten in den Horizont und auf den Pfaden dazwischen schieben viel zu junge Eltern ihre Kinderwagen spazieren. Auf dem Rückweg erinnern mich Sticker in Heckscheiben an Bands, deren Existenz ich ganz vergessen hatte, aber die Cover auf Spotify sind mir sehr vertraut. Mit zunehmender Cappuccinodichte in Richtung Stadtmitte erinnere ich mich aber auch wieder, warum ich diese Musik vergessen hatte.

25.02.2022

Ich wach um vier Uhr auf, weil ich eine Stimme höre, die mir einen Satz zuflüstert, aber da ist nur das schreiende Kleinkind aus der Nachbarwohnung, und meine beiden Mitbewohnerinnen, die sich im Wohnzimmer unterhalten. Die eine ist gerade aus einer Bar gekommen, die andere sitzt noch an einer Abgabe und mein Herz pocht.

24.02.2022

Ich wache auf und es ist Krieg in Europa, zwei Länder weiter, was klingt, als würde ich mit dem Elektriker telefonieren: „Nein, die Tür am Tor, links daneben und da dann auf der rechten Seite ist die Klingel für das Quergebäude.“ Nächste Woche kommt er mit dem Ersatzteil wieder.

Mittags bin ich beim Vorgespräch für eine Gruppentherapie. Die würde mindestens zwei Jahre dauern, die Hausverwaltung kann eben nicht alle Probleme lösen, was aber vielleicht auch ganz gut ist, denn gleichzeitig fühlt sie sich auch ein bisschen nach Russland an: mächtig lauernd und Besänftigung funktioniert nicht, aber solche Vergleiche altern schlecht.

23.02.2022

Fahrradketten wechseln, Masken vergessen, Sorgen machen und spazieren gehen kann ich alles, aber immer mit dem leisen, bohrenden Zweifel, vielleicht eine Kleinigkeit völlig falsch zu machen, die allen anderen offensichtlich ist und die jeden Moment auffliegen könnte. So vergisst man doch nicht seine Maske! Gehst du schon immer so spazieren? Heftig.

22.02.2022

Auf dem Rückweg vom Tanzen sickerte der Regen und die Musik durch mich hindurch. Erschöpftes trampeln unter Wasser. Und auch die Kette, die auf dem Hinweg noch alle paar hundert Meter herausgesprungen war, hing hungrig und schwer. Die neue liegt ja schon bereit; sobald die Sonne scheint; keine Sorge; tat sie heute ja auch, sprach ich ihr gut zu und sie ratterte jaja.