Monat: Juni 2022

09.06.2022

Bunte Yogahosenhintern betreten und verlassen den Hinterhof und ich steh an der Ecke (Fehl am Platz! Fehl am Platz! Fehl am Platz!) und warte.

Das ist nicht die Art von Trash, die ich meinte, als ich von Bewerbungsbildern für Gruppensex sprach. Das ist gar kein Trash, das sind die Reitstiefel des 21. Jahrhunderts.

08.06.2022

Erst beim Geschenkpapier aussuchen bemerkt, dass ich das Ding für mich gebastelt habe und gar nicht verschenken will, aber wenigstens noch vor dem Tesafilm darauf gekommen.

Das sind die kleinen Meilensteine, die im Film nicht vorkommen, weil unterlassenes Handeln fast so langweilig ist, wie wenn der Protagonist (natürlich ist es ein Mann) danach ausführlich am Telefon von der unterlassenen Handlung erzählt. So wäre das im deutschen Programmkinofilm. Dann lieber Anime: Ein Aufschrei mit weit aufgerissenen Augen, während das Geschenkpapier aus der zitternden Hand zu Boden fällt und der Person ein Flutlicht aufgeht. Dann der übertrieben hektische Griff zum Handy, um die Person anzurufen, die jetzt doch nichts geschenkt bekommt und dann teilt sich das Bild, die andere Person am Telefon ist verwirrt, das Bild hält an und der Protagonist schwitzt unmenschliche Peinlichkeitssturzbäche. So geht das.

07.06.2022

Die Dokumentation einer Schreibpraxis, die dann doch als literarisch verkauft wird, so oder so ähnlich beschreibt Wolfram Lotz bei der Lesung seinen 900 Seiten Papierbackstein. Jeden Tag mitschreiben und dann nicht mehr verändern, höchstens noch abtippen, Dummheiten bleiben stehen.

Hier nicht, auch wenn viele Dummheiten dabei sind. Die größte natürlich der Anspruch, jeden Tag ein Werk schaffen zu müssen, etwas Abgeschlossenes, wenn auch noch so kleines, noch schlimmer, etwas Zusammenfassendes, alles Aufnehmendes, Verdichtendes, aber bloß kein Tagebuch. Wahnsinn eigentlich und es funktioniert ja meistens auch nicht, aber wenn es funktioniert, dann Halleluja hoch die Tassen.

Wolfram Lotz (so einen Namen muss man ausschreiben) signiert mein Buch mit Bleistift und schreibt meinen Namen falsch. Das ist traurig, aber macht nichts. Er schreibt immer mit Bleistift, wenn er nicht tippt, das weiß ich aus dem Buch und er sagt es auch noch einmal und ich denke kurz natürlich auch, dass ich jetzt alles mit Bleistift notieren muss, wenn ich ein echter Schreiber sein will. Solche Dummheiten meine ich. Aber diese ist bearbeitet und hübsch gemacht. Die darf stehen bleiben.

06.06.2022

In der Privatbahn gibt es keine Klimaanlage, sondern Fenster, aber auch geschlossen sind die alten Waggons in neuen Farben so laut, dass die Gespräche bei jedem Halt pausieren müssen und alle warten, bis der Lärm das Abteil wieder in Apartments unterteilt.

05.06.2022

Obwohl ich mein Handy beauftragt hatte, mich rechtzeitig daran zu erinnern, sah ich den Termin fast eine Stunde zu spät. Mein Handy ignoriert bei Erinnerungen im Gegensatz zum Wecker den Lautlos-Modus wohl nicht. Dass ich das bisher nicht wusste, zeigt, wie selten ich diese Funktion nutze und, dass mir dieses Vorhaben einerseits wichtig war, andererseits aber auch unnötig genug, um sein Vergessen vorherzusehen. Mein Plan: J exakt ein Jahr nach unserer ersten Begegnung noch mal so zu begrüßen, wie wir uns an der Schleuse im Tiergarten begegnet waren. Ein Jahr und eine Stunde zu spät war es eigentlich schon wieder Zeit sich zu verabschieden. Die war im Original aber noch unsouveräner gewesen als die Begrüßung, schloss sich als romantische Aufmerksamkeitseinlage also selber aus. Schon allein wegen des Endes. An welchem Punkt hätte ich die Rolle wieder verlassen sollen? Nach dem Aufstehen vom Sofa? Nach dem Verlassen des Raums, des Hauses oder erst auf dem halben Weg zurück nach Berlin? In Hannover aussteigen und wieder zurück Richtung Umarmung fahren.

04.06.2022

Schau, das ist der Boden, das sind die Felder und das die Ruinen und Neubaugebiete, aus denen ich gewachsen bin.

03.06.2022

Das Vernissage-Problem heute bei einer Video-Installation: Wenn ich da stehe oder sitze und in dem Video vor mir eine aus ihrer Familiengeschichte erzählt, es drei, vier Bildschirme weiter links aber hektisch flucht und klirrt, muss ich vor dem neugierigen Platzwechsel erstmal kontrollieren, ob nicht die Person aus dem Video neben mir steht. Ach, ich bin mal wieder nicht laut und aufregend genug, oder was?, höre ich dann und versuche zum Treuebeweis besonders aufmerksam auf das Video zu schauen, auf das ich schon die ganze Zeit starre. Das ermüdet natürlich, fällt unter der Maske aber gar nicht so sehr auf. Um das zu merken, müsste man mich schon aufmerksam beobachten, und warum sollte das hier irgendwer tun.