Monat: August 2022

17.08.2022

Das Wort „Hornhautkantenglättung“ hallt noch durch meinen Kopf, als ich mich auf die Akkupressurmatte lege. Heute ist ein Texturentag.

Eiswürfel, die mir aus den Fingern flutschen, sonnengetrockneten Frotteehandtüchern, der Rand einer Briefmarke, die Flusen am Staubsaugerkopf und ein Skript, das langsam zu groß wird, um es gleichzeitig von allen Seiten zu ertasten.

16.08.2022

Zwei Arten von Dreck unter den Fingernägeln:

  1. Nachdem mir auf dem Weg nach Charlottenburg die Fahrradkette rausspringt, obwohl ich eh schon spät dran bin. – Die Seife im schicken Café ist zu schwach und die Papierhandtücher zu zart. Ich wünsche mir eine Bürste, Scheuermilch und ein unverschwitztes Hemd.
  2. Als ich der von LIDL mitgebrachten Pflanze noch schnell mit den Händen einen Platz in einem der Balkonkästen wühle.  — Nach dem Gießen habe ich sie gleich wieder vergessen. Ich gieße auch meine Hände, aber nur, damit keine Erde in die Tastatur kommt.

15.08.2022

Krimidinner, nur mit dem Krimi nach dem Dinner, denn mit vollem Mund lässt es sich so schlecht die Zeugen vernehmen. Der Nachtisch lässt sich als Motiv außerdem auch sofort ausschließen.

„Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss?“
„Nein, aber Trauben, Oliven, verschiedene Sorten Chips und kalte Getränke.“
„Ok, kommen Sie rein.“

Dazu Musik. Für jede Lebenslage gibt es die passende Spotify Playlist: Crime Jazz Film Noir Detective Music zum Beispiel, oder Songs To Cry To When The Police Shows You The Bloody Jacket Of Your Murdered Fiancé oder moderne Klassiker wie Eating All Leftover Snacks After Your Guests Have Left.

14.08.2022

Nervöse Mitarbeiter der DB Sicherheit beraten sich neben mir am immer voller werdenden Bahnsteig. Ich finde währenddessen in meiner Brezel einen kleinen Streifen blaue Plastikfolie. Wahrscheinlich die Lasche, mit der man die Tiefkühlverpackung aufreißt. Das zu erkennen, macht es irgendwie besser.

Jetzt zum Backshop zurückzugehen und sich zu beschweren wäre riskant, denn laut App ist der Zug, auf den wir hier warten, schon vor zehn Minuten abgefahren. Aber der Hunger ist eh stärker und die Tasche voller schwerer Bücher und Magazine.

Ich frage mich, ob ich mich mehr über eine Klimaanlage oder einen Sitzplatz freuen würde. Auf beides zu hoffen, wäre irgendwie gierig.

13.08.2022

„Panginga Panganga Pangura“ lautet der Zauberspruch, den ich für meinen verspannten Nacken bekomme, nur was er bedeutet, darf ich nicht verraten. C soll wegen ihres neuen Tattoos zwar nicht ins Wasser, aber wir fahren trotzdem hin, weil sie gerne Autoradio hört und ich gerne zum Sonnenuntergang in einen See springe.

Auf MDR Sachsen werden Musikwünsche entgehen genommen und Bernd wirkt ein wenig überfordert von der Vorstellung des Publikums, vor dem er versucht, keinen seiner Grüße zu vergessen. Hätte er sich die doch besser aufgeschrieben, wird seine Frau danach sagen, das weiß er, aber Bernd will kein Typ sein, der einen Zettel braucht, um alle seine Gäste glücklich zu machen. Mit den vielen Enkeln kann man ja auch schon mal durcheinander kommen. Er wünscht sich „Drei weiße Tauben“. Schon dafür hat sich die Fahrt zum See gelohnt.

Damit unsere Zaubersprüche wirken, versuchen wir nach dem Abendessen noch Sternschnuppen anzulocken. Dafür benutzen wir Wunderkerzen und wo Wunderkerzen sind, muss auch ein Sekt aufgemacht werden, das ist klar. Später wollen wir ja vielleicht auch noch auf einen Rave. Oder direkt Zähneputzen, so ganz sind wir uns da noch nicht sicher. Doch das Walnussorakel entscheidet zu meiner Zufriedenheit.

12.08.2022

Ungeplanter Zwischenhalt auf dem Weg nach Leipzig in Dessau, weil der Anschlusszug überfüllt ist. Ich wundere mich, dass niemand rumbrüllt und ob das wegen oder trotz der Hitze so ist.

In den Softeisbecher, den ich mir zwei Straßen weiter hole, geht auch nicht mehr rein. Die Schokosoße rinnt mir über die Finger, während ich mit dem Holzlöffel nach den in die Masse versteckten Himbeeren suche.

Manchmal im Leben helfen Servietten.
Manchmal nur ein Eis.

11.08.2022

Hungersteine sind bei Niedrigwasser im Flussbett sichtbar werdende große Steine, die nach den Hungersnöten benannt sind, welche auf Dürrezeiten folgen. Auf Twitter macht gerade das Bild eines solchen Steins in der Elbe die Runde, in den die Inschrift „Wen du mich siehst, dann weine“ graviert ist. Dieser Stein gelangte Anfang des 20. Jahrhunderts schon mal zu Bekanntheit, als während einer Trockenperiode zahlreiche Zeitungen über ihn berichteten und Ansichtskarten davon verkauft wurden. Seit dem Bau von Stauseen in den 1920er-Jahren an der Moldau ist der Stein allerdings einen Großteil des Jahres sichtbar. 1938 fügte der Pumpenfabrikant Frantisek Sigmund auf Tschechisch einen pragmatischeren Hinweis hinzu. Sinngemäß übersetzt: „Mädchen, wenn es trocken ist, verschwende deine Tränen nicht, sondern kümmere dich ums Feld.“