Jahr: 2022

09.07.2022

Kindergeburtstag Elterngeburtstag, die Kinder sind noch zu klein, um zu verstehen, was um sie herum passiert, freuen sich aber trotzdem über die Riesenseifenblasen. Ich mich auch.

08.07.2022

Existenzängste sind die schlimmsten Ängste, aber andererseits war ich schon lange nicht mehr so produktiv wie heute. Ich könnte einen Service anbieten, bei dem Hacker in dein Konto einbrechen und leerräumen, bis du den Text abgegeben hast, an dem du gerade arbeitest. Je näher der Tag der Miete rückt, desto besser flutschen die Finger auf der Tastatur. Der Preis für die Dienstleistung entspricht den in diesem Monat anfallenden Überziehungszinsen.

07.07.2022

Klimakollaps, COVID, Affenpocken und ein besonders gemeines Mittagstief, weil am Nachmittag nichts mehr dringend gemacht werden muss, und gleichzeitig alles angegangen werden müsste. Der Regen an den Fensterscheiben klingt fast so echt wie in den Videos, die ich manchmal im Hintergrund laufen lasse, um mich besser entspannen und konzentrieren zu können. Dieser macht mich aber eher müde.

Am Telefon fragt der Mann von der Haustechnikfirma, welcher der drei Hauptmieter ich bin und ich suche mir einen aus. Es ist der richtige, denn offenbar hatten wir schonmal miteinander gesprochen. Dann suche ich auch noch eine neue Salatschleuder im Internet aus und verbringe nochmal zehn Minuten mit der Suche nach einem Rabattcode für den Onlineshop. Am Ende spare ich 22 Cent, was immerhin mehr ist als die Stromkosten für die fünfzehn Minuten am Laptop.

Wieder klingelt es, diesmal aber an der Haustür und es ist der Mann von der Feuermelderfirma. Der interessiert sich zwar gar nicht dafür wer ich bin, während er hinter mir hantiert, tue ich aber trotzdem so, als würde ich E-Mails lesen, nur falls er es doch tut. Man kommt zu Hause eben einfach zu nichts.

06.07.2022

Der erste Tag seit Wochen (?) mit Socken. Nicht nur kurz zum Sport oder für eine Veranstaltung mit geschlossene Schuhe, sondern vom Morgen bis zum Abend und in der Früh auf dem Balkon sogar mit einem Pulli. Der Sommer ist quasi vorbei.

Alle die auf der Fusion oder auf einem Abiball waren, oder mit diesen Menschen zusammenleben sind diese Woche krank. Dass Berlin trotzdem noch funktioniert wundert mich, zeigt aber mal wieder, dass mein Bekanntenkreis nichts mit der statistischen Realität zu tun hat.

Auf dem Fahrrad habe ich kurz Augenkontakt mit einem Dackel, der auf dem Beifahrersitz eines Autos sitzt, an das ich mich genauso wenig erinnere wie in an die Person am Steuer. Der Dackel ist das offensichtlich gewöhnt, er wirkt nicht besonders aufgeregt, fast schon gelangweilt, aber doch konzentriert, als hinge die Sicherheit des Autos allein von seiner Konzentration ab. Das verstehe ich. Angeschnallt ist er aber trotzdem nicht.

05.07.2022

Mein Aldi (neben der Tür hängt eine Kupferplakette mit meinem Namen) wurde umgebaut und umgeräumt. Noch schlimmer, als dass ich als Eigentümer nicht informiert wurde, finde ich, dass meine über Jahre verfeinerte und detaillierte innere Karte der Ladenfläche von heute auf morgen wertlos geworden ist. Wirklich alles steht anders. Das Gemüse am Eingang, die Hafermilch hinten links in der Ecke und die Tiefkühlwaren da, wo vorher das Klopapier war, aber auch nicht wirklich, denn auch die Regale sind neu angeordnet und damit auch die Gänge und Sichtachsen. Die Grundfläche ist die gleiche geblieben, fühlt sich aber voller und weniger offen an. Die neuen Regale wirken höher und voller, vielleicht kommt der Eindruck aber auch nur von den vielen neuen Schildern, die von der Decken hängen und weil die Produkte jetzt eher in der Breite als in der Tiefe im Regal gestapelt werden. Miese Psychotricks, die das Kauflandgefühl bei mir auslösen: Orientierungsverlust ohne Überblickmöglichkeit. Die Orientierung im Text braucht den Weißraum, das hier ist Einkaufen in der Bleiwüste. Alles Absicht. Ich soll mich hier im Labyrinth verlieren und an Angebote und Süßigkeiten klammern. Ich soll an Fülle und Angebote denken, wenn ich den Laden verlasse. Aber ich denke nur an meine Karte.

04.07.2022

Ich verteidige mich gegen die Vorstellung von Gedanken, die ich selber in die anderen gelegt habe und wundere mich dann, warum ich vom rumsitzen müde werden, von all dem hin und her.

Ich lasse mich auf die Picknickdecke fallen und bekomme Nudelsalat und ein Kleinkind gereicht. Essen und halten jetzt nicht durcheinanderbringen. Meinen vorbereiteten Spruch auf die Jobfrage brauche ich gar nicht, oder erst später, und da bin ich schon entspannt genug, um nichts mehr aufsagen zu müssen. Nach der Gegenwart gefragt, von der Zukunft zu erzählen, ist ja auch nicht wirklich gelogen, sondern nur fest dran geglaubt.

03.07.2022

Sommerhitzestöhnen unter den wenigen Schattenplätzen auf dem Tempelhofer Feld. Warum wir uns nicht in Moabit oder im Wedding getroffen haben, wo die meisten von uns wohnen, fragen wir uns, aber dahin wären die Neuköllner vielleicht nicht gekommen. Wir sind entgegenkommend und die Strecken gewohnt, sie sind vor allem zu spät. Aber eigentlich sind alle zu spät, selbst ich, und ich bin der erste am Trefffpunkt. So funktioniert das. Ich sage 15:00 Uhr, weil ich weiß, dass um 16:00 Uhr dann ein paar Leute da sein werden, kann es aber selber nicht übers Herz bringen, erst dann zu kommen, also suche ich schon mal einen Platz, teile den Standort und richtige die Helmschweißfrisur.

Beim Warten kommt eine alte Mitschülerin vorbei, die mit ihrem Freund und „den Kindern“ gerade vom Brunch kommt, was sie wie „seine Kinder“ betont, aber aus ihrem Mund trotzdem nach Zugehörigkeit und Verbindlichkeit klingt. Das finde ich sehr nett und erwachsen, aber irgendwie auch befremdlich. Während ich mich an die Eltern um mich herum gewöhnt habe, stammt mein Bild des neuen Partners in so einer Konstellation noch aus der Zeit, wo mindestens eine Generation Abstand herrschte. Dass wir seit der Oberstufe kaum Kontakt hatten, verstärkt den Effekt sicherlich. Dann sprechen über das anstehende Abitreffen und zum Abschied wünschen wir uns gegenseitig nicht zu verbrennen. So funktioniert das.