Monat: Januar 2025

24.01.2025

Ich finde in meiner ToDo-Liste die Notiz „Baummuskeln trainieren“ also

recke ich meine Hände in den Himmel und warte, bis die Arme schmerzen.

stupse ich die junge Pappel im Hof an, um Wind zu simulieren.

erzähle ich abends mit Apfelschorle in der Hand davon im Keller vom Brechthaus, damit die Anekdote nicht verschwendet ist, falls ich sie doch nicht aufschreibe.

Bei der Tagung zum Thema Autofiktionalität zögern vor allem die eingeladenen Autor:innen den Begriff in den Mund zu nehmen. Das sei nicht ihr Zuständigkeitsbereich. Zwischen den Vorträgen und der Podiumsdiskussion gibt es belegte Brötchen, da zögere ich. Mich hat niemand eingeladen, also nehme ich schließlich zwei, um nicht aufzufliegen.

Fritz nimmt sich keine. Fritz ist vielleicht vegan und nicht alle Aufstriche sind identifizierbar, vielleicht hat Fritz aber auch einfach keinen Hunger oder muss sich oder den anderen hier nichts beweisen. Fritz trägt Vokuhila, Silberschmuck, ein Hemd aus den 90ern und studiert ein bisschen in Hildesheim. Fritz schreibt sich wie die Cola, mag die Mate aber lieber, ist mutig, nicht nur, weil Fritz mich anspricht und nachfragt, als meine Antwort knapp bleibt, sondern weil Fritz im eigenen Schreiben durch den Matsch watet, wo ich Pfützen präventiv zum unpassierbaren Moorgebiet erkläre. Das beeindruckt mich. Wenn es denn stimmt. Das mit dem Verhältnis von Fakten und Fiktion bleibt weiterhin produktiv ungeklärt, wurde vielleicht aber bereits am ersten Tagungstag geklärt.

23.01.2025

Nieselregen, schlechte Nachrichten, aber dann Parfürmduftspuren in einer unerwarteten Wohnungsecke.

22.01.2025

Menschen aus vielen verschiedenen Ländern eilen zwischen Hauptbahnhof und Bushaltestelle hin und her, aber die Landjugendgruppe mit dem ersten Bier erinnert an die Welt da draußen.

21.01.2025

Vor acht Jahren sind wir spontan für ein Wochenende nach Berlin gefahren. Heute stehe ich in Gurrgewittern und freue mich, dass die Griffe des Einkaufswagens noch warm sind. So nah kommen sich fremde Männer in der Öffentlichkeit selten. Ich habe ihn noch zurück zum Auto gehen sehen, aber weiß nicht mal, ob er immer links oder rechts um die Obst- und Gemüseinsel steuert. Wer sich so festhält, hat schwache Beine, Angst oder einen unerschütterlichen Plan.

20.01.2025

Wachsfigurengesichter holen zum römischen Gruß aus.
Stream an, Stream aus, wird nicht besser, wenn man draufschaut.
In den Taschen Kabelbinderreste. Mit Hängen meine ich was anderes.

Warum bist du eigentlich heute so gut drauf? (Betonung DU)
Ach. (Betonung ACH)

19.01.2025

Weil die Sprachtherapeutin mir aufgetragen hat, Haikus vorzulesen, sehe ich jetzt selber überall welche:

Sonne am Stadtseeufer.
Fast zwei Minuten schaffe ich
mit Neoprensocken.

Das Entscheidende ist die Atmung.

18.01.2025

Der erste Haustürwahlkampf beginnt mit einem afrikanischen Exilautor und einer Geschichte von Folter und Verfolgung. Direkt gegenüber treffen wir auf eine ältere Frau, die erst die Tür sofort wieder schließen will, aber auf die Verkehrsberuhigung in der Straße angesprochen doch ins Erzählen kommt. Lebensgefährlich sei die, sie habe schon von Krankenwagen gehört, die gar nicht wüssten, dass man nur noch von der einen Seite in die Straße kommt. Sobald jemand von uns mal einen Notfall in der Familie habe, werden wir schon sehen, wie kurz gedacht das sei und überhaupt, das Viertel sei ja nicht mehr wiederzuerkennen. Darum sollte sich die Politik kümmern. Die richtige Vielfalt eben, wieder mehr deutsche Geschäfte und weniger Dönerbuden.
Das müsse man halt Vorgaben machen, es gäbe schon genügend, und das flüstert sie fast, Schwarzköpfe hier.