28.09.2018

Erich Fromm (1989): Vom Haben zum Sein

„Ich bin, was ich bewirke – was ich bin“, (und das ist gut so) statt: „Ich bin was ich habe.“

Zwar gilt:

Erich Fromm nahm das Kapitel über die „Schritte zum Sein“ wieder heraus, weil er glaubte, sein Buch könnte missverstanden werden, so als ginge es nur darum, dass jeder sein Seelenheil in Selbsterfahrung, Selbstentwicklung und Selbstanalyse suche und auf diese Weise die neue, am Sein orientierte Gesellschaft glaube heraufführen zu können. Die Wurzeln des für eine Überflussgesellschaft, die alles hat, typischen Massenphänomens der Orientierung am Haben sind in den ökonomischen, politischen und sozialen Gegebenheiten der modernen Industriegesellschaft, in ihrer Arbeitsorganisation und in ihrer Produktionsweise zu suchen.

Aber halt auch:

Gewahrwerden, Wille zur Veränderung, Übung, das Zulassen von Angst und neuen Erfahrungen sind vonnöten, wenn die Verwandlung des Individuums gelingen soll. […]

Der erste Schritt um die Selbstsucht zu überwinden, beruht auf der Fähigkeit, sich ihrer Gewahr zu sein. Der zweite Schritt ist, sich der Wurzeln der Orientierung am Haben bewusst zu werden. Aber die Erkenntnis dieser Wurzeln allein genügt noch nicht. Sie muss begleitet werden von praktischen Veränderungen. Zuerst muss man sich aus ihrem Griff zu befreien versuchen, indem man das, woran an sich festhält, loszulassen beginnt. Dann wird man die Angst spüren, sich selbst zu verlieren. Diese entwickelt sich, wenn man Dinge verliert die als Krücken für das eigene Selbstgefühl gedient haben. Es geht dabei um das Aufgeben von Haltungen, vertrauten Gedanken, der Identifikation mit dem eigenen Status, von gewohnten Phrasen, dem Bild, das anderen von einem haben und das man anderen gegenüber von sich zeichnet. Es gilt alles gewohnheitsmäßige Verhalten zu verändern, den Gewohnheiten beim Frühstück bis hin zum Sex. Dieser Prozess muss vom Versuch begleitet sei, aus sich herauszugehen und sich anderen zuzuwenden: Unsere Aufmerksamkeit richtet sich auf andere aus, auf die Welt der Natur, der Ideen, der Kunst, auf gesellschaftliche und politische Ereignisse, sodass wir an der Welt außerhalb unseres Egos interessiert sind. Interesse zu entwickeln, bedeutet kein Außenseiter zu bleiben, kein Betrachter, der von dem getrennt ist, was er sieht.