Jahr: 2020

06.12.2020

Die Lebensqualität einer Wohngemeinschaft lässt sich an der Anzahl der Umsortiervorgänge konkurrierender Nikoläuse messen, also im Idealfall N≥x, wobei N die Zahl der Nikolausbesuche ist und x die Anzahl der Bewohner:innen.

05.12.2020

Bei „Wer bin ich“ klebt mir Christian Lindner auf dem Kopf und ich werde den Rest des Abends dieses seltsame Verlangen nicht mehr los, regelmäßig an die Eigenverantwortung jedes einzelnen zu appellieren und die Selbstregulierungskraft des Mitbewohnendengefüges zu beschwören. Mit mir am Tisch sitzen ein Luftballon, Bruno Latour, ein verwirrter FAK-Tee, die Maus und (ganz schwer) eine Laufmasche. Eine schwierige Gesprächsgrundlage.

04.12.2020

Liebes Tagebuch, jetzt bin ich den Eukalyptusgeschmack zwar wieder los, aber nicht den verschnupften Hals, die pandemiegezuckerte Weihnachtsungewissheit und die Angst vor Fragen nach der Zukunft. Und wenn man einen Podcast hat fällt leider auf, wenn man seine Anekdoten mehrmals erzählt (oder sie klingen wie einstudiert), ABER der Rotkohl war lecker!

03.12.2020

Virtuelle Raummetaphern funktionieren. Ich hänge noch spät in der Lounge herum (weil es da WLAN gibt?), aber habe eigentlich vergessen, dass ich da bin, zu tief steckt der Kopf im Gerät, als plötzliche Bekannte den Raum betreten und mich in den entlegenen Rand ihres Gesprächs integrieren. Und so rutsche ich tiefer in den Sessel und setze das wohlige Lächeln der müden, internationalen Loungegemeinsamkeit auf und warte auf das Gute Nacht.

02.12.2020

„Hallo, ich würde gern ein Päckchen abholen.“
„Kannse dir da hinten aus dem Stapel raussuchen.“

Notiz an mich: Hermes-Pakete nicht mehr in dem Späti mit dem kürzesten Fußweg abgeben lassen, weil die da wie eine Geschenkinstallation mitten im Laden aufgetürmt liegen. Das sieht hübsch aus, wirkt aber nicht besonders sicher.

01.12.2020

Wenn ein Geschwindigkeits- und Streckenrekord nicht getrackt wurde, dann gab es ihn zwar vielleicht als physikalisch beschreibbares Ereignis, aber sozial wirksam wird er so nicht. Was von unserer Runde um den Tiergarten also übrig blieb, war die Müdigkeit, großer Hunger, ein paar offene Fragen (Und wie läuft es mit deinem PhD Projekt? Warum hast du den Job bei M. abgelehnt? Warum sitzt du eigentlich nicht andauernd in Corona Panels?) und die Sorge, dass Karriereoptionen unsere wackelige Wahlfamilie auseinanderbrechen könnte.

30.11.2020

Im Zweifel* Brot backen.

*Die privilegierte Situation, in der ein weißer Mann, konfrontiert mit körperlicher Erschöpfung und geistiger Unterforderung, am Ende des Tages vor einem weiten Möglichkeitsraum steht und sich eingeschüchtert in die Introspektion zurückzieht, um sich der Wahl und der resultierenden Verantwortung für das Ergebnis zu entziehen und den Möglichkeitsraum offen zu halten.