Regentag. Am Nachmittag schlafe ich mit einem Kissen im Arm auf dem viel zu kleinen Sofa in der Küche ein, während sich der auf die Dachfenster prasselnde Regen mit dem Ambient Set und dem Tippen von T. mischt, die an ihrer Abschlussarbeit sitzt. Gearbeitet wird hier schon, den Kuchen habe ich bereits gestern gebacken, kein Fenster steht mehr offen und jemand anderes ist nach Mariendorf gefahren. Mein Arbeitsauftrag ist zu starren und wegzudämmern.
Jahr: 2021
01.05.2021
Cranio-Sacral-Ostheopathie-Kontakt-Improvisation in den Rehbergen. Barfuß und ohne Decke, aber leider auch ohne Sonnencreme. So weit ist es mit dem Frühling schon gekommen.
Wenn es so wichtig ist, den Tag richtig zu beginnen, dann auch den Monat. Also noch ein Rhabarberkuchen hinterher. Der Teig ist schon in der Springform, da ist der Rhabarber noch gar nicht ganz geschält. Hektische Gewohnheit. Zum Verdauen und für die dunklen Stunden zwischen Müdigkeit und Schlaf gibt es Haselnussschnaps im Wert der anderen Hälfte des Einkaufs.
30.04.2021
Album (Danger Dan)
Yoga (Easy On The Wrists Flow)
Besuch (Leipzig)
Pizza (Margherita)
Star Trek (Der erste Kontakt, 1996)
Alles überraschend. Alles gut.
29.04.2021
Ich habe jetzt ein graues, schlichtes Heft ohne Linien, Seitenzahlen, Vor- und Rückseite, das ich genau genommen (wie seine Geschwister) schon recht lange habe, aber bisher eben ohne Grund, einer Sache gleich ein ganzes dieser Hefte zu widmen. Den habe ich jetzt. Auch der Grund ist nicht ganz neu, nur im Vergleich zu dem Heft, aber irgendwann muss ich das reine funktionieren halt aufgeben.
Trauerarbeit mit Tinte. Was mit dem Füller geschrieben wird, kann nicht so einfach in ein anderes Fenster oder ins Internet kopiert werden. Wenn der Laptop noch gar nicht an ist, stehen die Worte nur im Kreise ihrer Nachbarseiten. Die Handschrift hat nicht schon am nächsten Morgen die zitternde Hand verdrängt.
28.04.2021
Und was mache ich als Geisteswissenschaftler, wenn ich heulend vor einem Text sitze? Ich drucke ihn mir aus, setze Tee auf und hole mein Etui mit den bunten Stiften. Schwarz für Hervorhebungen und Kommentare, blau für Fragen und Dinge, die noch besprochen, korrigiert oder überschlafen werden müssen, grün für was mich freut und beruhigt, rot für alles was wehtut und trifft und der Bleistift für den diffusen Rest, für den die Kategorien und Worte fehlen.
Noch mit dem Rotstift in den eigenen Wunden zu stochern. Wie bescheuert das alles macht. Wie kaputt ich doch bin. Beziehungsunfähig und kaputt. Er hat sich stets bemüht und trotzdem verkackt und den Unterricht gestört. Was für ein Selbstmitleid schwitzendes, narzisstisches Arschloch, dass das auch noch aufschreiben muss, um ins Bett gehen zu können. Ey, das ist mein Blog. Ich darf das hier.
27.04.2021
Der Mond steht nach dem späten Abendessen immer noch so tief, dass ich auf den Zehenspitzen balancieren muss, um ihn über dem Haus zu entdecken.
26.04.2021
Auf der Ecke der Balkonbalustrade, halb hinter dem letzten Kübel versteckt, steht das Vogelbad. Vielleicht ist es auch nur eine Tränke, auf jeden Fall aber ein großer Topfuntersetzer aus Ton und darin liegt ein Stein. Ein Denkstein. Ich habe ihn dorthin gelegt, damit die Tauben einen angemessenen Platz zum Grübeln haben, falls sie schwierige Entscheidungen zu treffen haben oder es einfach ein grauer Tag ist. Mit solchen Gedanken kann man nicht einfach am Beckenrand sitzen und die Beine baumeln lassen, dafür braucht es einen Fels in der Brandung oder zumindest im Teich. Außerdem macht es viel mehr Spaß, das Vogelbecken aufzufüllen, wenn ich das Wasser über den Stein ins Becken laufen lasse. Es macht deutlich mehr her.
Leider sind den Tauben meine Bemühungen egal. Auf dem Stein sitzen nur Krähen, die Erdnüsse knacken. Irgendjemand in der Nachbarschaft muss sie damit füttern. Die Spatzen meiden den Stein ganz, nur die Amsel bleibt manchmal einen Moment sitzen und die sieht nicht so aus, als würde sie nachdenken. Sie starrt eher gedankenverloren ins Nichts.
Aber ich fülle das Becken trotzdem regelmäßig auf und alle paar Wochen schrubbe ich sogar den Stein mit einem alten Küchenschwamm. Die Welt ist ja nicht einfach so magisch, die Romantik erarbeite ich mir hart.