Verschnauf- und Entfremdungspause im Transitraum S-Bahn. Wenn schon ein Seegrundstück mit bunten Dachschindeln, dann an einem öffentlichen See, alles andere würde mir mein linkes Herz nicht verzeihen.
Jahr: 2021
07.08.2021
Das es kein „Hilfe, mein Auto wurde eingeparkt, kann mir jemand bitte beim Ausparken helfen“ war, sondern ein „Hilfe, ich bin ausgerutscht und habe mir mein Auto ohne angezogene Handbremse beim Einsteigen auf mein Bein rollen lassen, ihr müsst die Straße zusammenbrüllen und das Auto von meinem Fuß heben noch bevor die Feuerwehr eintrifft“, wurde mir erst nach dem dritten Mal klar.
06.08.2021
Ich laufe im Regen nach Hause, aber ich werde nicht nass, weil Strom durch meine Glieder zuckt. Ich glühe, aber niemand bemerkt die Funken, nur die Krähen. Die sehen alles und erstatten der alten Bärin bericht.
Auf halber Strecke bekomme ich eine Nachricht. Ein eindeutig unzweideutiges Angebot. Aus der Zeit gefallen und zu plötzlich um keinen traurigen Schatten zu haben.
„Wer Abkürzungen sucht, braucht manchmal vielleicht eher eine Pause?“, antworte ich und brauche jetzt selber erstmal eine. Als ich das Zelt im Wohnzimmer abbaue, ist aus dem Glühen ein glimmen geworden. Nass bin ich doch noch geworden, aber die Wärme ist geblieben.
05.08.2021
Eine Biene oder Wespe, definitiv keine Hummel, fliegt dekorativ vor dem Sonnenuntergang um die Balkonpflanzen herum und ich schaue immer wieder auf mein Handy, damit die Zeit schneller vergeht, oder damit sie stehen bleibt, so sicher bin ich mir da nicht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich hunger habe oder ob ich aufgeregt bin, beides entscheide ich schließlich und nach ein paar Scheiben Brot bin ich nur noch aufgeregt, schreibe ein paar Dinge ins Handy, die mir sofort wieder peinlich sind, weil ich ja mit einer körperlosen, ausstaffierten Erinnerung kommuniziere, die auch ein Traum gewesen sein könnte – jetzt muss ich mich ja wohl endgültig disqualifiziert haben –, aber ohne Hunger kann ich die Aufregung und die Scham zum Teil des Ganzen erklären und das ist dann doch ziemlich süß und verdient es, ausgekostet zu werden. Dann mache ich ein Bild von mir, um zu prüfen, ob man meinem Gesicht ansehen kann, das ich so viel durcheinander fühle und weil ich gleichzeitig so wenig fühle, wenn ich mir die Bilder auf meinem Handy ansehe, was wie ein Geständnis klingt, weil es das ist, als wäre schon das Unvertraute zu benennen ein zu richtender Verrat.
04.08.2021
Ich löse einen mittelgroßen Shitstorm aus, weil ich unter Druck in ein altes Muster falle: Sticheleien statt Ehrlichkeit. Austeilen statt Öffnung. Zwar immer versucht lustig und mit den besten Intentionen, aber der Ton macht die Musik und Karma is real my friends.
03.08.2021
Die vielleicht zukünftige Kanzlerin ist kleiner als gedacht, die vielleicht zukünftige Bürgermeisterin spricht emotionaler als erwartet, die vielleicht zukünftige Bundestagsabgeordnete möchte mehr Geld für Klimaschutz und die vielleicht zukünftigen Mitglieder des Abgeordnetenhauses wollen mit aufs Foto. Ich will möglichst weit weg vom Foto, muss selber aber welche machen. Verzwickt. Bei meinem Job erkennt man nicht, ob ich im Liegestuhl sitze und gelangweilt durch Instagram scrolle oder konzentriert in Instagram arbeite. Das muss ich alles mit dem Gesichtsausdruck ausdrücken. Das ist das Anstrengende. Dafür werde ich eigentlich bezahlt.
02.08.2021
Ich denke mir eine indische Göttin aus und denke heimlich an eine andere. Ständig. Nein, das ist gelogen, aber doch so erschreckend oft, dass ich nicht lange brauche, um die vermeidlichen Bauchschmerzen zuzuordnen, die mich vom Schlaf abhalten, nachdem ich das Handy beiseitegelegt haben. Und wirklich heimlich auch nicht. Das Gatter öffnen und den Rest der Welt zur Koppel erklären, nuschelt der Mann mit den glühenden Wangen und natürlich können alle sehen, wie ihm die Kontrolle entgleitet. Denkt er zumindest.