Jahr: 2022

12.06.2022

So tun, als wäre heute nichts Wichtigeres passiert als dieser Abendhimmel und die Mauersegler darin.

„Rupfst du mir die Blumen?“, frage ich die Taube im Balkonkasten für die Bienen und die Taube antwortet, dass sie das als diskriminierend empfindet und ein bisschen hat sie natürlich recht, Bienen haben einfach das bessere Image, aber die Taube zu fragen, ob das Ökosystem auch kollabieren würde, wenn sie verschwindet, traue ich mich natürlich nicht.

Sorgst du dafür, dass die Apfelbäume Äpfel tragen? Bist du notwendig? Bist du wichtig? Sowas fragt man nicht. Auch wegen der Gegenfrage. Bestimmt würde die andere Hoftaube sie vermissen und das reicht dem Apfelbaum als Antwort vielleicht nicht, aber mir.

11.06.2022

Die Konferenz weiß noch nicht ganz genau, was sie sein will, aber wer weiß das schon, und solange es einen Strand, Liegestühle und einen Pool gibt, fällt das auch niemandem so richtig auf. Zumindest so lange die Sonne scheint. Ich plädiere für eine Wiederholung, schmiere mir beim nächsten Mal aber ein Brot mehr.

10.06.2022

Die Verhältnisse, in denen ich mich eingerichtet habe und die deshalb unter Kontrolle sind: Auf der Tastatur des Laptops funktionieren mehrere Tasten nicht mehr. Mobil ist, wo ich die externe Tastatur hin mitnehme.

Der Kontrollverlust am Objekt: Meine Uhr geht nicht mehr richtig, nachdem sie auf Fliesen gefallen ist. Ich bestelle panisch und ohne lang nachzudenken oder aufs Konto zu schauen eine neue im Wert einer Bahnreise mit Hin- und Rückfahrt mit Bahncard 25, aber am Wochenende im kommenden Monat.

09.06.2022

Bunte Yogahosenhintern betreten und verlassen den Hinterhof und ich steh an der Ecke (Fehl am Platz! Fehl am Platz! Fehl am Platz!) und warte.

Das ist nicht die Art von Trash, die ich meinte, als ich von Bewerbungsbildern für Gruppensex sprach. Das ist gar kein Trash, das sind die Reitstiefel des 21. Jahrhunderts.

08.06.2022

Erst beim Geschenkpapier aussuchen bemerkt, dass ich das Ding für mich gebastelt habe und gar nicht verschenken will, aber wenigstens noch vor dem Tesafilm darauf gekommen.

Das sind die kleinen Meilensteine, die im Film nicht vorkommen, weil unterlassenes Handeln fast so langweilig ist, wie wenn der Protagonist (natürlich ist es ein Mann) danach ausführlich am Telefon von der unterlassenen Handlung erzählt. So wäre das im deutschen Programmkinofilm. Dann lieber Anime: Ein Aufschrei mit weit aufgerissenen Augen, während das Geschenkpapier aus der zitternden Hand zu Boden fällt und der Person ein Flutlicht aufgeht. Dann der übertrieben hektische Griff zum Handy, um die Person anzurufen, die jetzt doch nichts geschenkt bekommt und dann teilt sich das Bild, die andere Person am Telefon ist verwirrt, das Bild hält an und der Protagonist schwitzt unmenschliche Peinlichkeitssturzbäche. So geht das.

07.06.2022

Die Dokumentation einer Schreibpraxis, die dann doch als literarisch verkauft wird, so oder so ähnlich beschreibt Wolfram Lotz bei der Lesung seinen 900 Seiten Papierbackstein. Jeden Tag mitschreiben und dann nicht mehr verändern, höchstens noch abtippen, Dummheiten bleiben stehen.

Hier nicht, auch wenn viele Dummheiten dabei sind. Die größte natürlich der Anspruch, jeden Tag ein Werk schaffen zu müssen, etwas Abgeschlossenes, wenn auch noch so kleines, noch schlimmer, etwas Zusammenfassendes, alles Aufnehmendes, Verdichtendes, aber bloß kein Tagebuch. Wahnsinn eigentlich und es funktioniert ja meistens auch nicht, aber wenn es funktioniert, dann Halleluja hoch die Tassen.

Wolfram Lotz (so einen Namen muss man ausschreiben) signiert mein Buch mit Bleistift und schreibt meinen Namen falsch. Das ist traurig, aber macht nichts. Er schreibt immer mit Bleistift, wenn er nicht tippt, das weiß ich aus dem Buch und er sagt es auch noch einmal und ich denke kurz natürlich auch, dass ich jetzt alles mit Bleistift notieren muss, wenn ich ein echter Schreiber sein will. Solche Dummheiten meine ich. Aber diese ist bearbeitet und hübsch gemacht. Die darf stehen bleiben.

06.06.2022

In der Privatbahn gibt es keine Klimaanlage, sondern Fenster, aber auch geschlossen sind die alten Waggons in neuen Farben so laut, dass die Gespräche bei jedem Halt pausieren müssen und alle warten, bis der Lärm das Abteil wieder in Apartments unterteilt.