Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit (1962)
„Während das Bürgertum, von der Führung in Staat und Kirche freilich so gut wie ausgeschlossen, in der Wirtschaft nach und nach alle Schlüsselstellungen einnahm und die Aristokratie dessen materielle Überlegenheit durch königliche Privilegien und eine um so strengere Betonung der Hierarchie im gesellschaftlichen Umgang kompensierte, begegneten sich [im Salon] der Adel und das ihm sich assimilierende Großbürgertum der Banken und der Bürokraten mit der »Intelligenz« sozusagen auf gleichem Fuße. […] Im Salon ist der Geist nicht länger Dienstleistung für den Mäzen; die »Meinung« emanzipiert sich von den Bindungen der wirtschaftlichen Abhängigkeit.“ (S. 94)
„Der bedeutsamste Raum im vornehmen bürgerlichen Hause wird dagegen einem ganz neuen Gemach zugeteilt: dem Salon . . . Der Salon dient aber auch nicht dem »Hause«, sondern der »Gesellschaft«; und diese Gesellschaft des Salons ist weit entfernt, gleichbedeutend zu sein mit dem engen, festgeschlossenen Kreis der Freunde des Hauses. Die Linie zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit geht mitten durchs Haus. Die Privatleute treten aus der Intimität ihres Wohnzimmers in die Öffentlichkeit des Salons hinaus; aber eine ist streng auf die andere bezogen. Nur noch der Name des Salons erinnert an den Ursprung des geselligen Disputierens und des öffentlichen Räsonnements aus der Sphäre der adligen Gesellschaft. Von dieser hat sich der Salon als Ort des Verkehrs der bürgerlichen Familienväter und ihrer Frauen inzwischen gelöst. Die Privatleute, die sich hier zum Publikum formieren, gehen nicht »in der Gesellschaft« auf; sie treten jeweils erst aus einem privaten Leben sozusagen hervor, das im Binnenraum der patriarchalischen Kleinfamilie institutionelle Gestalt gewonnen hat.“ (S. 109)
Es werden neue Linien gezogen. In einem
„[…] hyper-competitive, neoliberalized space that prizes above all the attention given by individualized listeners to specific creators willing to put some version of their intimate selves on display.“ – (Podcasting, the intimate self, and the public sphere)
Aber nicht durch das Wohnzimmer, sondern durch das Ich.