Monat: November 2018

16.11.2018

Plötzlich gehen Menschen auf die kleine Bühne im dritten Stock und fangen an zu singen. Ohne Scham. Warum auch nicht.

Die Sache ist klar, ich brauche wieder mehr Schauspieler*innen Theater in meinem Leben. Nicht aus dem Zuschauerraum, sondern hinter der Bühne.

15.11.2018

Hey how are you do you want some more wine what about the joint how is your family are they safe did you know them well when can you get back to see your family I’m so sorry…

14.11.2018

Deutsch hat ein wunderschönes Problem. Man kann sich zwar hinter verschachtelten Wort- und Satzkonstruktionen verstecken, aber die sind niemals knackig oder cool. Beschreibungen wie transnational and local impact filmmaking for social change entlarven sich sofort als ein wissen, was gemeint ist, ohne zu wissen, was es bedeutet.

13.11.2018

Grundkurs Telepathie, Lektion 4: Zuversicht übermitteln.

12.11.2018

Ich beginne den Tag mit AirSpace und beende ihn mit der Heiligen Vorhaut.

AirSpace meint den zwanghaft individuell vereinheitlichen Stil der Digitalarbeiter und ihrer Cafés, egal ob in Berlin oder Melbourne:

[…] abgezogene Betonwände, neu aufgearbeitetes Vintage-Holz und Designer-Möbel, Edelstahl-Kaffeevollautomaten, auf Tafeln geschriebene Menüs mit Kreide, Einweckgläser als Tassen, ein Dekor aus spärlichen Sukkulenten, garniert mit Gegenwartskunst (Neon-Lichtstangen, eingerahmte Poster), und ein grundsätzlich minimalistischer Inneneinrichtungsflair []

Genau so wenig individuell, aber dafür nicht ganz so langweilig scheint die heilige Vorhaut von Jesus zu sein. Sie wurde im Mittelalter von gleich mehreren Klostern für sich beansprucht und ist im 13. Jahrhundert der Mystikerin Agnes Blannbekin beim Kosten der Eucharistie als Empfinden in ihrem Mund erschienen.

Irgendwo zwischen den Hipstern und dem Penis von Jesus ist mir der Tag abhanden gekommen.

11.11.2018

Ich höre Armen Avanessian zu, wie er Peter Sloterdijk zuhört, der auf Gottfried Benn hört und der mir wiederum rät in der Wikipedia nachzuschlagen wie das mit ihm und den Nazis war. Das tue ich, und der 3D-Drucker druckt und die Leiche einer Honigpomelo liegt zerfleddert über den ganzen Tisch verteilt und O-Zone singen Dragostea din tei.

10.11.2018

Vor einer Hand voll Renter*innen und Student*innen verkündet:

Heute, am 10. November 2018 um 16 Uhr, 100 Jahre nach Ende des I WK, der auf Jahrzehnte die europäische Zivilisation zerstört hatte, gedenken wir nicht nur der Geschichte, sondern nehmen unsere Zukunft selbst in die Hand.

Es ist Zeit, das Versprechen Europas zu verwirklichen und sich an die Gründungsidee des europäischen Einigungsprojekts zu erinnern.

Wir erklären alle, die sich in diesem Augenblick in Europa befinden, zu Bürgerinnen und Bürgern der europäischen Republik. Wir nehmen unsere Verantwortung für das universale Erbe der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an, und geloben, sie endlich zu verwirklichen.

Wir sind uns bewusst, dass der Reichtum Europas auf Jahrhunderten der Ausbeutung anderer Kontinente und der Unterdrückung anderer Kulturen beruht. Wir teilen deshalb unseren Boden mit jenen, die wir von ihrem vertrieben haben. Europäer ist, wer es sein will. Die Europäische Republik ist der erste Schritt auf dem Weg zur globalen Demokratie.

Das Europa der Nationalstaaten ist gescheitert.

Die Idee des europäischen Einigungsprojekts wurde verraten.

Der Binnenmarkt und der Euro konnten ohne politisches Dach zur leichten Beute einer neoliberalen Agenda werden, die der Idee der sozialen Gerechtigkeit widerspricht.

Daher muss die Macht in den europäischen Institutionen erobert werden, um den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung in einer gemeinsamen europäischen Demokratie zu gestalten.

Denn Europa heißt: Menschen zu einen und nicht Staaten zu integrieren.

An die Stelle der Souveränität der Staaten tritt hiermit die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger. Wir begründen die Europäische Republik auf dem Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit jenseits von Nationalität und Herkunft. Die konstitutionellen Träger der europäischen Republik sind die Städte und Regionen. Der Tag ist gekommen, dass sich die kulturelle Vielfalt Europas endlich in politischer Einheit entfaltet.

Der Europäische Rat ist abgesetzt.
Das Europäische Parlament hat gesetzgeberische Gewalt.
Es wählt eine europäische Regierung, die dem Wohle aller europäischen Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen verpflichtet ist.

Es lebe die Europäische Republik!

Und dann regnet es vom Roten Rathaus Flugblätter. Das Bild ist schön. Ein Chor singt. Aber während wir Haltung demonstrieren, entwickeln die Rechten Strategien.