Monat: Mai 2020

24.05.2020

Beim Joggen im Park kommen mir nur mitteljunge Paare (und die, die es mal werden wollen) entgegen, die an einem Sonntagnachmittag aufs Regenradar gucken und sich vor dem Abendessen noch spontan zu einem Spaziergang durch den Tiergarten entschieden haben – man war ja heute noch nicht draußen. Er trägt einen Bart und eine offene Jacke, sie hat mehr Vertrauen in die Vorhersage und ihren dünnen Pullover, aber beide haben einen Bildungsbürgerbiomarkthintergrund. Keine Kinderwagen, aber das Auge sieht, was es will. Nach dem vierten Paar fällt es mir auf, nach dem achten glaube ich an eine Verschwörung, ab dem zehnten denke ich über mein Milieu nach. Ohne die Laufkleidung würde ich zwischen ihnen ja auch nicht weiter auffallen.

23.05.2020

Mit den Händen und der Hilfe von Flüssigkeiten Oberflächen bearbeitet.

22.05.2020

Nach einem guten Tag folgt meist einer, der nicht wirklich schlecht zu nennen ist, aber sich eben nicht am vorherigen messen lassen kann. Genauso viel vor, aber eine Spur erschöpfter, etwas weniger lächelnd und ein bisschen verbissener. So ein Freitag eben.

21.05.2020

Daniel Schreiber: Zuhause – Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen

Ein Zuhause sucht man nicht, man schafft es sich, bzw. richtet sich darin ein. Heimat hingegen gibt es nur als Verlustgefühl. Das „Ich liebe dich“ ist der performative Akt sich gemeinsam für schöne Tapeten zu entscheiden. Die Kraft des zukunftsgerichteten Als-Ob wird jedoch durch die Eingrenzung des zeitlichen Horizonts geschwächt. Die Flexibilisierung der Lebens- und Liebeswelt, die Fähigkeit, aus ökonomischen Zwang oder zum Zweck der Selbstverwirklichung, jeden Moment aufspringen zu können, macht es auch schwerer sich niederzulassen. In der Daueranspannung sind die Sehnsuchtsorte Damals und Woanders.

20.05.2020

Alle Jahre wieder bearbeite ich längere Texte, um sie für den Druck vorzubereiten und jedes Mal lerne ich dieselben Dinge neu und jedes Mal dauert alles viel länger als gedacht und jedes Mal bin ich irgendwann an dem Punkt, dass ich am liebsten meinen Laptop gegen die Wand werfen würde, aber worauf schaue ich dann die Videos, die mich vom Papierzeitalter ablenken sollen.

19.05.2020

Waldweidenwanderung von der Bogenseekette und Lietzengrabenniederung durch die Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde am Kulturpfad Steine ohne Grenzen entlang und wieder zurück zu den Gated Communities und Plattenbauten von Berlin Buch. Da dann in die Panke gespuckt, schnell in die S-Bahn gestiegen und an der Spreemündung auf mich gewartet. Bei jeder Pause und in der Bahn lese ich ein Essay aus Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen von Daniel Schreiber, den Sophie Passmann bei Instagram empfohlen hatte, nur auf dem Rückweg nicht, da ist die Seniorenausflugsgruppe im Wagen zu laut mit ihren Kameraeinstellungen beschäftigt.

18.05.2020

Ich breche das Hörspiel ab und verspüre den Drang, mich dafür zu rechtfertigen, denn es ist kein schlechtes Hörspiel, ganz im Gegenteil. Es ist sehr gut produziert, in einem Stil, den ich mag und es dreht sich um Personen, die ich schon aus dem Theater kenne, aber ich breche trotzdem nach der Hälfte ab, denn ich bin Identitätsgeschichtenmüde. Als weißer Cis-Mann lässt sich sowas leicht sagen, mein Ich stellt niemand infrage; oder doch, in dem ich da schon wieder eine Geschichte hören muss, die ich zwar begreifen, aber nicht nachvollziehen kann. Muss – wie eine Anmaßung im Kunst- und Kulturzirkus nicht drumherum kommen zu können um die Biografien und das Empowerment und den Struggle, also gäbe es keine anderen Themen außer der Selbstbezeichnung und überhaupt und schon klingt meine innere Stimme wie ein alter wütender Mann und ich halte die Luft an.

Es ist eine genervte Müdigkeit. Eine Mischung aus dem tadelnden Groll, wenn jemand nur von sich spricht und sich hinter einem empathischen Vokabular versteckt und der Lustlosigkeit, mit der ich ein Video wegklicke, weil ich nicht zum zwanzigsten mal erklärt bekommen möchte wie man Basilikum vermehrt. Dass ich genervt bin, ist gut, denn das heißt, dass sich etwas regt. Nur überwiegt in letzter Zeit immer öfter die Müdigkeit, das abbrechen, wegklicken und das gar nicht erst hingehen. Schamvolle Langeweile, die eigentlich komplexer ist, aber sich aus meiner Position heraus bequem zusammenstreichen lässt.