„Hallo, ich hätte gerne mal eine Runde Aufmerksamkeit und habe mich heute extra angestrengt, um jetzt die Aufmerksamkeit empfangen zu können. Ich habe sie quasi verdient. Wie schnell können Sie liefern?“
„Oh, da haben wir jetzt aber ein Problem. Genau das gleich wollte ich Sie gerade auch fragen.“
„Da haben wir tatsächlich ein Problem. Ich schlage vor, wir lösen es durch gereizte Verdichtung und Beharrung?“
„Ja, das klingt sehr gut. Dann machen wir das so.“
„Schön, das freut mich. Dann bis gleich.“
Jahr: 2020
22.10.2020
21.10.2020
Hallo, ich bin Freerk …
HALLO FREERK
… und ich bin heute hier, weil Dinge angeblich viel weniger unangenehm sind, wenn man sie nicht mehr verstecken muss. Denn es ist so: Während einer globalen Pandemie mit dem Studium fertig zu werden ist eine Scheißssache. Gleichzeitig ist alles möglich und gar nichts mehr. Weiße Blätter sind unter Zeitdruck noch furchteinflößender. Ich muss für alles mögliche Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen, aber Gaia und Gesellschaft halten mir die Machtlosigkeit und Fremdbestimmtheit vor Augen. Und weil ich nur noch Kontakt mit denjenigen habe, mit denen ich mich dazu verabrede, sitzen die, denen es genauso geht einsam in ihren Zimmern und halten sich für schlimme Einzelfälle. Eine Scheißssache eben. Und deshalb bin ich heute hier, damit was passiert, auch wenn ich nur zuhöre und in die Kamera nicke.
20.10.2020
Tipp: Vor dem Grübeln über das unbekannte Bedrückend-Mächtige erst mal nachforschen, ob sich darunter auch einfach ein Mangel an Essen, Trinken, Sauerstoff, Bewegung, Wärme, Weite oder Zweckbefreiung verstecken könnte. Wie Sie das effektiv und schnell herausfinden können, lernen Sie in unserer Coachingreihe „Grundbedürfnisse für Anfänger:innen“. Die über 100 Stunden Videos und Arbeitsmaterial im Wert von über 700 Euro gibt es jetzt kurzfristig reduziert für nur 84,99 Euro!
19.10.2020
Wenn ich mich besonders mutig oder selbstzerstörerisch fühle, dann schaue ich in das Blog The Last Psychiatrist. Es wurde von 2005 bis 2014 von einem anonymen Psychiater geschrieben, der irgendwann verschwand, ohne sich zu verabschieden. Seine Texte sind meinungsstark, mitunter brutal direkt (?) und in zu großen Dosen sehr deprimierend. Seine Beispiele kommen meistens aus der Popkultur und auch wenn mich seine Schlussfolgerungen oft ratlos zurücklassen, stoßen sie bei mir immer irgendwelche – meist unangenehmen – Einsichten ins Ich an.
Heute habe ich mich in der Kategorie Narzissmus verloren:
- If This Is One of The Sexiest Things You’ve Ever Seen, You May Be a Narcissist (2006)
- Can Narcissism Be Cured? (2009)
- A Generational Pathology: Narcissism Is Not Grandiosity (2010)
- The Other Ego Epidemic (2010)
Und das heutige zermalmende Königsstück am Schluss:
„My fiancee is pushing me away and I’ve lost hope“ (2012)
Aber bevor ich mich darum kümmern kann, was mich da genau in den Magen getreten hat (ist es überhaupt wichtig?), muss ich mich erst noch schmerzgekrümmt für die Kameras das Blog am Boden herumwälzen.
18.10.2020
„Warum bist du eigentlich so hart zu dir wirklich jeden Tag etwas Aufschreiben zu wollen, wenn am Ende dann doch nur ein halb garer Satz als Entschuldigung bei rauskommt?”
17.10.2020
10 Jahre Draufsicht und ein bisschen schlechtes Gewissen, das meine Aufgaben mit der Vorbereitung der Veranstaltung erledigt waren. Trotzdem die ganze Zeit über schwitzige Hände.
16.10.2020
Im chinesischen Internet gibt es den Ausdruck 報復性熬夜, wörtlich übersetzt: „als Vergeltung die Nacht duchleiden“, oder etwas griffiger: „revenge bedtime procastination“. Damit ist gemeint, nicht zu schlafen, obwohl man müde ist und schlafen könnte und wahrscheinlich auch besser sollte. Schlaftrotz. Das kenne ich sehr gut. Nicht, weil ich etwas gegen Schlaf habe, oder mich vor Albträumen fürchte, sondern weil Schlafen zu gehen bedeuten würde, die freie Zeit vor dem Schlafen aufzugeben. Die unbeobachtete, stille und dunkle Zeit, wenn der Tag hinter mir liegt, alles erledigt ist, was an dem Tag mit meinen Kräften möglich war, wenn alle Mahlzeiten verzehrt sind und nichts mehr passieren muss, außer irgendwann die Augen zuzumachen. Diesen Moment aufzugeben fällt mir sehr schwer. Dass ich statt zu Schlafen erschöpft durch Instagram, Twitter und YouTube scrolle, bis ich die Augen wirklich nicht mehr offen halten kann, lässt sich mit dieser Bezeichnung als Rache des Egos an der anscheinend nicht freiheitlich erlebten Wachzeit begreifen. Etwas sinnvolles könnte ich in dieser Zeit gar nicht tun. Weil ich viel zu müde dafür bin und weil es dann die Freiheit sinnloses zu tun, gar nicht nutzen würde. Die Berieselung muss als solche erkennbar sein.