Monat: November 2021

16.11.2021

Ein Seiltänzer und Geschichtenerzähler. Orange ist die Farbe, die er am Morgen beim Tanzkurs im Körper verstreicht und Orange ist auch das indische Essen am Abend. Silber glänzen die heißen Aluminiumschalen auf dem Tisch und die Bleche an den Wänden im Workshopraum über dem Holzmarkt. Tanz und Torture.

15.11.2021

Es ist ein Treppenwitz. Die richtige Interpretation fällt mir erst nach dem Wochenende ein.

Wie immer, wenn ich überfordert bin, mache ich erst mal eine große und schaurige Liste, weil übertreiben bezwingt und das Auflisten einen Rhythmus erzeugt, der ein Lied aus den Sachen macht und ein Lied kann ich vortragen und auseinandernehmen.

14.11.2021

Wiedererkennen 2: Was ist mein Gemüsepulver anderes als eine eitle Multivitamintablette mit Distinktionszwang.

13.11.2021

Wiedererkennen 1: Scham-Scham

12.11.2021

Regionalzüge, die abends oder nachts von Großstädten in Provinzzentren fahren und schon eine halbe Stunde vor Abfahrt auf einem abgelegenen Gleis stehen, sind etwas ganz besonderes. Die Fahrt von Hamburg nach Kiel erinnert mich an den Weg von Nürnberg nach Bayreuth, nur dass man hier im Norden nicht das Gefühl hat, direkt auf dem Motor zu sitzen. In Franken muss die Bahn beweisen, die Gleise dem Wald und den Hügeln abgerungen zu haben, in Schleswig-Holstein rollt der Zug einfach durch das Flachland.

Mich fasziniert die Gemeinschaft der müden Pendler, die schon vor der Abfahrt eingeschlafen sind, die gelassenen Raucher am Bahnsteig und die fettigen Papptüten mit dem Abendessen, die im ganzen Abteil zu riechen sind. Jeder, der hereinkommt, wird beäugt: „Aha, dich kenne ich schon aus dem ICE.“

11.11.2021

Eine Linie beschreiben. Auf dem Balkon Tee trinken und einen alten Tisch zerkleinern. Einen Traum aufschreiben. Mit vertrauten Stimmen im Ohr in den Herbstabend laufen. Eine Weihnachtskarte neu bekleben. Einen Podcast aufnehmen und aus der COVID-Frust einen Auftritt machen.

10.11.2021

Ein blauer Strich, fast schon zwei kleine Kurven, diagonal mit Pastellkreide über ein weißes Blatt gezogen und dann mit dem Finger verwischt. Die Kanten sind weich, das blau verläuft sich im Papier, schwebt als verblassende Wolke um die Linie, die trotzdem noch gut zu erkennen ist. Je nach Blickwinkel ist es ein Riss oder eine Naht, aber keine aggressiver, kein scharfer Schnitt, sondern eine zarte Öffnung oder Schließung, je nachdem. Auf jeden Fall tritt aus der Blatthaut kein Blut, sondern der wolkenlose Himmel.

Für einen Strich ist ganz schön viel Bewegung in der Linie. Es ist das sanfte Hin und Her eines Schlitzschuhläufers ohne Ziel und Stoppuhr. Aufsetzen, wiegen, ausgleiten.

Für einen ersten Strich macht er auch sich ganz schön breit auf dem Papier, denkt vielleicht die Person, die auf den zweiten und dritten wartet, auf die Unterschrift, den Rahmen, die Präsentation und die Auktion.