Erst mache ich ein Rhabarber-Curry (experimentell) und nach dem Essen backe ich auch noch einen Rhabarber-Käsekuchen (klassisch), denn das Zeug muss ja weg, und nur wenn ich es am Ende der Saison Leid bin, trauere ich ihm nicht nach, außerdem wartet dann ein Kuchen auf mich, wenn ich Morgen Abend nach Hause komme und die Ruhe- und Backzeiten geben dem Abend zusätzlich auch noch eine willkommene Lektürestruktur zum Runterkommen ohne YouTube und TikTok, aber wem erzähle ich das, so ein Kuchen brauch keine Ausrede und keine Begründung, der steht da und duftet und ist für sich selber und für mich an seinem Platz in der Welt.
Jahr: 2021
27.05.2021
Das kommt davon, wenn ich früh ins Bett gehe, das Handy auf dem Schreibtisch liegen lasse, lese und dem Wecker und mir eine Stunde vergebe: Ich träume
von Ägypten bei Nacht, ein Camp von Umweltaktivisten, die sich in mir irren, es war nur das günstigste Ticket und ich habe keine Unterkunft für die Nacht. Eine Wanderung, eine Frau ohne Gesicht, Küsse, Lärm in der Ferne und die Frage nach dem Rückflug und wie es dann weitergehen soll.
26.05.2021
Ich hole ein Paket aus einem dieser Läden ab, wo man es sich selber in einem großen Berg suchen muss und niemand deinen Ausweis sehen will. In dem Paket sind drei Literaturzeitschriften, die ich mir bestellt hatte, um mal wieder Lesestoff zu haben, der mehr sein will als #Tagebuchbloggen, aber ohne gleich Romanansprüche zu haben. Ich wollte etwas nachahmbares und mutmachendes für das eigene Schreiben lesen und Inspiration und vielleicht auch experimentelle Formen, die ich im Zweifelsfall wieder wegblättern kann und die nicht permanent als Hardcover Mahnmal im Regal an ihren Preis erinnern. Also fragte ich M. und sie gab mir eine Liste und ich meine Kreditkarte.
Die Zeitschriften nehme ich mit an die Spree und blättere in der Sonne darin herum, was auch mit ungewaschenen Haaren sehr gebildet und sexy aussehen muss, aber entweder ist alles lauter als sonst, oder ich bin leiser geworden.
Nach dem Abendessen lasse ich mir ein Bad ein und Spotify schlägt mir die Playlist „Songs to Cry to in the Bathtub“ vor, aber auch das ist zu laut und ich habe ja schon einen Badezusatz. Das Handtuch zum Abtrocknen lege ich auf die Heizung und das andere auf den Beckenrand, damit ich mir den Schweiß vom Gesicht tupfen kann und nicht mit feuchten Fingern umblättern muss.
25.05.2021
Der Traum wiederholt sich, aber beim zweiten Mal komme ich nicht rechtzeitig in das Zimmer, weil im Flur gesungen wird. Erst harmonisch, aber als immer mehr Leute aus dem Krankenhaus dazukommen, wird es bemüht, laut und peinlich. Als ich es dann doch in das Zimmer schaffe, steigen zwei Männer mit dem Kind gerade aus dem Fenster. Im ersten Traum war nur von einem Mann die Rede, denke ich da und schaue machtlos zu. Am Telefon sagt mir der Polizist mit Schnurrbart und meiner Stimme lachend, das man da wohl nichts machen könne, ich wisse zwar den Namen des Kindes, der Entführer, des Viertels, in das sie geflüchtet sind, und den der Mutter, die aufgelöst vor mir sitzt, aber ich könne keinen dieser Namen aussprechen, Pech gehabt, so sei das manchmal.
24.05.2021
(Not so) Sudden Sadness und Frühlingswetter Madness und die Schwalben kreischen aggressiv beim Sturzflug über den Balkon. Alle horny, oder sie wollen uns vor einer schrecklichen Naturkatastrophe warnen, wer weiß das schon.
23.05.2021
Bei meinen Tagesausflügen zeichnet sich ein Muster ab. Ich lande immer wieder in Mooren und Wiesenlandschaften, mit wiegenden Gräsern und vereinzelten Bäumen und Büschen. Vielleicht sind es die Stadtaugen, die sich weite wünschen, vielleicht aber auch die Pferde und zotteligen Hochlandrinder, die stur im Sumpf und Wind stehen.
Wie jedes Mal nehme ich mir auch etwas zum Lesen und Schreiben mit und wie jedes Mal, komme ich nie an, sondern raste nur.
22.05.2021
Das ist ja wie im Restaurant, nur besser, weil man hier keine Angst vor COVID haben muss, sagt sie, aber ich denke, es ist wie im Restaurant, nur schlechter, weil hier der Koch mit am Tisch sitzt und sieht, dass ich vor allem Hunger habe und wie egal es mir ist, welcher Wein als Nächstes aufgemacht wird.