Monat: Oktober 2022

03.10.2022

Geburtstag. Nicht meiner. Das macht es umso entspannter. Leckeres Essen und gute Laune, ohne dabei ständig ans Telefon gehen zu müssen. Am Nachmittag gehen wir in zwei Ausstellungen. Die eine klingt gut, die Objekte sind aber fast alle langweilige Diskursstellvertreter, an die zweite habe ich keine Erwartungen und möchte positiv überrascht alles anfassen. Weil alles hinter Glas ist, begrapsche ich meinen Schal und dann die deutsche Einheit.

02.10.2022

Ich errichte eine Torte. Stahlbeton hat eine sehr schlechte Umweltbilanz, habe ich von den Architects for Future gelernt, also nehme ich für mein Gerüst steif geschlagenes Eiweiß mit gemahlenen Mandeln und ziehe eine Buttercremeschicht ein, damit sofort klar wird, dass es hier um Eigentum, nicht um Miete geht. Um Geld zu sparen, kommt die dann auch aufs Dach und an die Fassade, so muss ich nur einmal den Mixer abwaschen. In der Broschüre heißt das dann nachhaltig und ressourcenschonend. Das gilt auch für die Deko. Geröstete Mandelblättchen sind zur Dämmung eigentlich nicht geeignet, aber lenken sehr gut von ungleichmäßig verputzen Wänden ab. Bei einer 24 cm Springform ergibt das am Ende umgerechnet einen Quadratmeterpreis von 575 Euro. Bei der Version aus dem Tiefkühlfach wären es nur 110 Euro, aber Eier aus der Region und der Name des Architekten haben eben ihren Preis.

01.10.2022

frei, froh und fromm steht unter dem Dach der alten Turnhalle die Straße runter. Ich fühle mich heute weder noch, bin aber auch nicht in der Halle. Vielleicht ist es als Werbeversprechen zu verstehen. Beim Turnvater hieß es vollständig noch „frisch, fromm, fröhlich, frei“. Fromm übrigens nicht religiös gemeint, sondern wie tüchtig oder fleißig. Das war Jahn wohl immer wichtig zu betonen, und auch gegen eine Umstellung der Worte hatte er sich laut Wikipedia immer gewehrt. Auch gegen die Verkürzung von fröhlich zu froh. Umso mehr verwundert mich, dass das frisch hier zu fehlen scheint. Vielleicht habe ich es auch nur übersehen, aber ich glaube lieber an Absicht. Laut Landesdenkmalamt ist dies eine der letzten Schulen, die Stadtbaurat Hermann Blankenstein in den 1890ern baute. In einer Zeitung von 1900 heißt es: „Architektonisch wurde an den Blankensteinschen Bauten wenig gewagt, dieselben Gedanken und Formen gingen von einem Bau zum andern über, es erscheint nichts aufdringlich und verletzend an ihnen, sie führen ein bescheidenes und still zurückhaltendes Dasein.“ Vielleicht war dies also sein letztes aufbegehren? Vielleicht fühlte er sich einfach nicht mehr besonders frisch und ließ es deshalb aus? Oder war es eine persönliche Fehde mit der Turnbewegung? War es nicht. Weiter unten im Text über das Gebäude steht, dass ich das frisch wirklich übersehen haben muss, aber das passt auch, frisch fühle ich mich heute am allerwenigsten.