Mein erster Besuch in einem Fitnessstudio. Nur für das Schwimmbecken und die Sauna, aber trotzdem ein Schritt ins Unbekannte. John Roderick unterscheidet in einer Episode seines Podcasts mit Merlin Mann das Leben in drei Zonen, die Comfort Zone, die Challenge Zone und die Danger Zone. Seine anekdotische These: Während der Pandemie haben es sich viele Menschen so sehr in der Comfort Zone bequem gemacht, dass ihnen die Challenge Zone jetzt oft wie die Danger Zone erscheint. Dabei sei die Challenge Zone der eigentliche Ausgangspunkt und Nährboden der menschlichen Erfahrung. Ausflüge, längere Aufenthalte und selbst der Traum das ganze Leben in einer anderen Zone zu verbringen wären zwar wichtig und richtig, aber würden längerfristig zu irgendwas zwischen den Menschen in Wall-E und dem Untergang der Zivilisation führen. An mir soll es nicht liegen. Ich stelle mich der Umkleidekabine, dem Kraftgrunzen und dem Schweiß. Herzklopfen kurz vor der Danger Zone.
Monat: Januar 2023
09.01.2023
Ich bin jetzt auch Mitglied in einem Klub. Für ein Jahr und ohne Bewährung. Ein Klub, der sich nur rechnet, wenn ich ihn zweimal die Woche nutze. Das ist sportlich, aber darum geht es bei diesem Klub nicht, sondern um die Freiheit, die Auswahl, die vielen Möglichkeiten (außer in Moabit und Tiergarten) und die stolze Brust, mit der ich am Eingang den QR-Code scanne und mich damit als Teil der Mittelschicht wähne – zumindest in der Preistabelle.
08.01.2023
In der Nähe von Frankfurt gibt es den Opel-Zoo. Der wurde 1956 auf Initiative von Georg von Opel, einem Enkel von Adam Opel, gegründet.
Bekanntlich kommt die Familie Opel aus Rüsselsheim und da hätte Georg seinen Zoo bauen sollen. Und was für einer wäre das gewesen. Nicht nur mit allen Arten Elefanten und Tapiren, sondern auch mit Nasenaffen, Nasenbären, Opossums, Saigaantilopen, Dikdiks, Erdferkel, Rüsselhündchen, Spitzmäusen und Igeln. Alles, was seine bewegliche Nase neugierig in fremde Angelegenheiten steckt. Der Rüsselzoo in Rüsselsheim. Was für eine vertane Chance.
07.01.2023
Wer guckt mich denn da an? – Achso, mein dreißigster Geburtstag aus ein paar Monaten Abstand. Nicht fragend, sondern richtend und bei Blinzelwettbewerben, die eh nicht gewonnen werden können, kann man auch schon im ersten Augenblick mit dem Lachen und den Tränen beginnen.
06.01.2023
Tango tanzen ohne Streit und Anschweigen auf dem Heimweg, um dann Stunden oder Tage später wegen einer Kleinigkeit völlig überzureagieren und die eigene Unsicherheit an Grundsätzlichkeiten auszuagieren. Eine Handreichung für mutige Paare und die, die es noch werden wollen.
20 € – Taschenbuch, überarbeitete 3. Auflage (2023)
Das Aktionsangebot Anonymer Versand mit Blumenstrauß (30 €) gilt nur bis zum 05.02.2023.
05.01.2023
Joggen macht demütig. Insbesondere, wenn du mehrere Monate nicht mehr laufen warst, die Muskeln schon nach den ersten Metern protestieren und du im Dunkeln darauf hoffst, die Seite des Parkwegs mit weniger Matsch gewählt zu haben, während dich eine Gruppe auf E-Rollern überholt. Zu Hause wartet eine abfotografierte Vortragsfolie auf mich:
Stelle dich deiner Scham, deiner Abhängigkeit und Mittelmäßigkeit, Begrenztheit und Getrenntheit. Verstecke dich nicht hinter deinen Verletzungen und Ansprüchen. Übernimm Verantwortung für deine Größe und deine Kleinheit und dein Angewiesensein auf die Anerkennung durch andere.
Unter der Dusche massiere ich sie erst sanft in die Kopfhaut und spüle sie dann wieder aus. Der Glanz bleibt.
04.01.2023
Die Zahl der Arbeitssuchenden, die sich auf LinkedIn als „Storyteller“ bezeichnen, stieg von keinem einzigen im Jahr 2011 auf eine halbe Million im Jahr 2017. Mittlerweile sind es noch mehr und auf TikTok haben alle „main character energy“. Aber lange wird das nicht mehr halten. Wenn in den nächsten Jahren das Internet mit Texten, Audios und Videos überflutet wird, bei denen wir nicht mehr wissen, ob sie von einem Menschen stammen, müssen andere Arten der Präsentation herhalten, um sich von den Maschinen abzugrenzen. Nachdem das Geschichtenerzählen für SEO-Zwecke komplett wegautomatisiert wurde, sprechen wir wie Teenager miteinander, die jeden zweiten Tag ihre Sprache umwälzen. Vielleicht in Reimen oder möglichst weit weg von der Schriftsprache, ganz zwischen den Geräuschen der Stimme.