Monat: April 2023

16.04.2023

Als ich mich gerade auf den Weg machen will, entdecke ich hinter einem der Flohmarktstände eine Bekannte. Sie verkauft nicht, wie die meisten hier, ihre ungetragenen Kleider, sondern Makramee.

Um nett zu sein, stelle ich ihr Fragen dazu, verliere mich, als sie mich zurückfragt aber für einen Moment vollends in der Sache; ignoriere situationsblind die emotionale Ebene und gehe ganz in den Gedanken über das Design, die Funktion und die Präsentation ihrer Waren auf; vergesse lang genug die Intention, mit der ich das Gespräch eröffnet hatte, um eine unangenehme Gesprächslawine verschlimmbessernder Schadensbegrenzung auszulösen, deren Wucht ich auch noch Stunden später hinter meinen zusammengebissenen Zähnen spüren kann. Einfach nur zu Grüßen hätte vollkommen gereicht.

15.04.2023

Es gehört einige Erfahrung dazu, um im äthiopischen Restaurant elegant das Essen mit den Fingern zum Mund zu führen;

einiges an Erfahrung, um während der mehr als vierstündigen Theateraufführung immer wieder die richtige Haltung zu finden;

einiges an Erfahrung, um die eigene Unzufriedenheit so ins außen zu kehren, dass die Normalitätsbehauptung auch aufrecht gehalten werden kann, wenn die Fragezeichen schon längst im Nieselregen tanzen.

14.04.2023

Tango, Bärlauch, Reifen flicken

13.04.2023

Der Wirt zeigt uns den Keller aber eigentlich inspiziert er uns. Während er auf seinem Handy nach einem Video sucht, mit dem er uns die Anlage vorführen kann, warte ich darauf, dass die Aschelanze seiner Zigarette bricht, aber sie hält auch noch die zwei Werbeclips, bevor das Cover von Stairway to Heaven beginnt. Er behauptet, am Schlagzeug säße der originale Schlagzeuger, aber der kommt mir viel zu jung vor, so alt kann das Video nicht sein und tatsächlich ist es bei diesem Konzert sein Sohn, finde ich später raus, denn John Bonham ist schon 1980 gestorben. Dann sieht man die überlebenden Mitglieder von Led Zeppelin, die gerührt und mit Medaillen um den Hals im Publikum sitzen. Das rührt auch den Wirt und er kündigt immer wieder den Schwarzen an, was uns erst beunruhigt, aber dann schwenkt die Kamera zu Barack Obama und wir sind offenbar ausreichend genug beeindruckt, denn er verspricht mich am nächsten Tag anzurufen und den Termin zu bestätigen.

12.04.2024

Massenvernichtungswaffen
Katastrophenalarm
Power Pilates

Oft steckt der Hinweis schon im Namen.

Ich stecke mir die Packung Turkish Delight in den Mantel wie einen diskreten Umschlag mit Bestechungsgeld oder wie die Bibel an der Brust, die im Western den Helden vor der tödlichen Kugel rettet. Die anderen sehen in der Beule ein Kleinkind, das ich vor dem Regen schütze. Zuckersüß.

11.04.2023

Prasselnder Frühlingsregen auf Asphalt bei vollem Sonnenschein. Mit klitschnasser Hose auf dem Fahrrad abstrampeln, einmal quer durch Wetter und Milieus, durch Reis und Curry schaufeln, bis zum Tellergrund und dann dem Tag auf den Zahn fühlen. Morgen muss ich zur Kontrolle, nicht vergessen. Ich verstecke dem Arzt ein kurzes Koriandergedicht zwischen den Backenzähnen.

10.04.2023

Am Ende meiner Aufzählung von Zerstreuungen und Unzufriedenheiten steht, dass ich heute noch nichts geschrieben habe, obwohl ich ja mehrere Tage im Verzug bin und da ja auch noch ganz andere, ebenfalls selbstauferlegte Projekte lauern. Sachen, die mir besonders wichtig sind, und bei denen ich es gerade deshalb jede Woche aufs neue nicht schaffe weiterzumachen, was mal so vielversprechend begonnen hatte. Ich erzähle auch, wie sehr es mich stört, dass überhaupt etwas lauert, wenn es um Schreiben geht. Wieso ungeschriebenes überhaupt lauern kann. Warum ich plötzlich derjenige bin, der sich nicht ans Wasserloch traut, wobei ich doch mit der festen Intention aufgestanden bin, heute selber Jäger zu sein. Steht doch so im Kalender. Ostermontag: Großjagd.

Aber wie ich das bei Sonnenuntergang unentschlossen auf dem Bürgersteig stehend in den Chat tippe, merke ich, wie gut es tut, das aufzuschreiben und wie ich in meinem Versteck ausharrend schon längst damit begonnen habe, die Pilze und Beeren im Unterholz aufzusammeln. Natürlich. Es ist nie zu spät, den Tag zärtlich an die Hand zu nehmen. Nur bleibt dann halt manchmal nicht mehr viel Tag übrig.