Jahr: 2021

06.06.2021

Aus Autos- werden Fahrradbahnen. Wenn mehr als 15 Personen nacheinander miteinander fahren, dann ist es ein Konvoi und das Ende darf noch über die rote Ampel fahren, wenn der Anfang die Kreuzung bereits passiert hat.

Kurz hinter der Abfahrt, über die die Demo wieder in die Stadt geleitet wird, hat sich die Polizei mit zwei Mannschaftswagen, Flatterband und Radsperren positioniert, damit auch bloß niemand übermütig auf die Idee kommt, bis nach Hamburg weiterzufahren. Es ist sehr verlockend.

05.06.2021

Meine Brille ist wie ich, oder ich bin wie sie, oder man merkt, dass es meine Brille ist. Was ich sagen will: Ich erkenne mich auch ohne sie und ohne Spiegel in ihr wieder.

Kaum habe ich die neue Sonnenbrille, kaum hat meine normale Brille ein paar Stunden (wenn’s gut läuft sogar Tage) Pause, kaum bin ich nicht mehr zwingend auf sie angewiesen, beginnt sich auch schon die Beschichtung aufzulösen und die Kratzer der vergangenen Jahre scheinen wie vom Frost aufgesprengt zu wachsen.

Natürlich mag das nur der Kontrast sein, plötzlich nicht mehr durch Milchglas in die Welt zu schauen, der das Auge auf diese alten neuen Makel lenkt, aber eigentlich nehme ich diese Charakterschwäche sehr persönlich.

04.06.2021

Endlich muss man sich wieder Gedanken darüber machen, ob die Musik zu laut ist, wenn man nach dem Essen auf dem Balkon hängen bleibt. Endlich wieder Teelichter.

03.06.2021

Wenn ich nach dem Essen auf dem Küchensofa sitze und durch YouTube/Instagram/TikTok/Twitch scrolle füllt sich normalerweise langsam ein kleiner Selbstverachtungstank, der irgendwann kippt und dann den Schwung zum Aufstehen bereitstellt. Das System ist nicht nachhaltig, aber funktioniert und ist historisch gewachsen.

Interessant ist, dass der Kippmoment des Tanks vollkommen unabhängig vom Füllvolumen ist. Vielleicht ist auch die Tankgröße oder der Zufluss nicht konstant (an dieser Stelle entgleitet mir die Metapher) aber auf jeden Falls überrascht mich mein Aufstehen in der Regel selber.

Interessant ist, dass ich, immer noch mit Paracetamol ruhig gestellt, problemlos vier Stunden so auf dem Sofa sitzen kann, ohne mich zu bewegen und dann nur aufstehen, weil es Zeit ist, etwas zu essen zu machen.

02.06.2021

Schüttelfrost und Fieber.

01.06.2021

Gruppenimpfeinweisung im Wartezimmer. Der Arzt hört sich gerne die großen und kleinen Zusammenhänge erklären und gleich zwölf auf einen Schlag, so eine Chance muss er ja nutzen, und er nutzt sie, wenn ich das richtig verstanden habe, jeden Tag mindestens einmal, mehr Impfstoff ist leider noch nicht erhältlich.

31.05.2021

Leipzig: „Bisschen Öko. Bisschen egal.“

Jongleure und Schmuckbastler in den Parks und auf den Brücken, aber die echten Südamerikaner fahren Einkaufslieferungen aus (10 Minuten! Garantiert!). Als ich etwas Zeit rumbringen muss, gehe ich erst eine Straße entlang, die auch in Berlin sein könnte, also drehe ich wieder in die Wohnviertel ab. Zwischen zwei Villen stehen alte Garagen vor denen tätowierte Männer Bier zwischen Autos trinken, die eher aus Versehen Oldtimer geworden sind. Ich finde einen kleinen Park und setze mich erschöpft auf eine Bank. Auch diese Wiese ist voller Mid-Twenties, die Akrobatikspiele spielen. Auf die Bank neben mich setzt sich ein Mann, der Heroin, und noch viel nervenzehrender, einen Monolog über seinen Führer auspackt.

Auch hier muss es ja zarte Seelen geben, die veröffentlichen ja auch die ganzen Literaturmagazine, die aus Leipzig kommen, aber die haben wohl irgendeine Strategie mit der Stadt klarzukommen.

„Bin ich auch rough?“, fragt T.
Naja.