Jahr: 2021

27.06.2021

Das der Vanillepudding angebrannt ist, merke ich erst, als ich ihn schon über die Tarte gegossen habe. Hoffentlich schmeckt man das nicht, denke ich noch und wende mich dann dem Abendessen zu. Wenig später kommt mir das Tablett mit den selbst gemachten Joghurts aus dem Kühlschrank entgegen und verteilt sich über den halben Küchenboden und die angrenzenden Möbel und Textilien. Ich rufe die anderen erst zum Essen, als ich alle Spuren beseitigt habe. Nur der Biomüll dampft da noch verdächtig.

Vielleicht war ich gestern doch zu lange ohne Kopfbedeckung in der Sonne. Irgendwas hat mich wohl abgelenkt.

26.06.2021

SMK – Sonnenuntergänge mit Knöchelkontakt

25.06.2021

Ab- und Rückfahrt. Heute ohne Schotterpisten, nur auf Rennradstrecken, zwischendurch auch mit Musik auf den Ohren, um die Autos auszublenden. Das ist der Preis für Asphalt.

Die Dörfer werden größer, erst ein Landmarkt, dann ein Nahkauf und dann sogar ein EDEKA. Ich mache einen Umweg über Templin, damit ich nicht zu früh zu Hause bin und als ich in Eberswalde ankomme, brauch ich die Sonnenbrille nicht mehr. In Eberswalde gibt es Eis und den Regionalexpress nach Berlin. In Berlin eine Küche, der man ansieht, dass ich nicht da war. In der Küche liegt trauriger Rhabarber, aus dem ich noch schnell Kompott mache, bevor ich ins Bett falle.

24.06.2021

Irgendwann am späten Vormittag höre ich auf zu warten, ober der Regen aufhört und ziehe mich an: untenrum Badehose, obenrum wasserdicht, Helm statt Kapuze. Die erste Viertelstunde ist unangenehm, dann macht es Spaß. Ein paar Grad weniger und mir wäre kalt, wo ist es fast wie schwimmen, nur das mich im See keine LKWs überholen.

Kurz vor der Abfahrt hatte ich nochmal in die Routenapp geguckt. Asphaltierte Straßen und Radwege sind in der Minderheit, mir werden kilometerlange Kopfsteinpflaster und unbefestigte Wege vorausgesagt und ich sorge mich um meinen frisch geflickten Vorderreifen und die eh von meinem Gewicht gezeichnete Federung und auch die ganze andere Mechanik, die an so einem Stahlrahmen hängt und Verkehrstauglich macht. In der ganzen Region wohnen so viele Menschen wie in meiner Heimatstadt, also nicht so viele und warum sollte man da auch Asphalt in die Landschaft kippen, wo doch eh jeder einen Pickup Truck hat, die fährt man hier ja nicht wegen der Straßen. Mit einem Mountainbike macht die Strecke vielleicht sogar richtig Spaß, aber ich verfluche den aufgeweichten Sand der Forstwege und bekomme Streckenweise zwar nicht besonders viel von der Umgebung mit, verfalle beim konzentrierten Blick auf den schmalen befahrbaren Streifen aber in eine Art Zen-Zustand gleichmütiger Durchnässtheit. Mir begegnen Kraniche, Störche und eine einsame Badestelle, die ich mir im Namen meiner Mückenstiche und Brennesselkämpfe erobere. Den Kilometer zuvor hatte ich zum Großteil mit dem Fahrrad auf der Schulter verbracht, um es über auf den Wanderweg gefallenen Raumstämme zu hieven: „Stellenweise muss auf dieser Strecke das Fahrrad vielleicht geschoben werden“ – Naja…

Nach dem Bad kommt der Hunger und für mich typisch habe ich zu wenig Essen dabei. Im entscheidenden Moment beim Umpacken unaufmerksam gewesen, nicht weiter als meine momentane Sattheit gedacht, typisch eben. Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende gebracht habe, habe ich auch schon meinen einzigen Schokoriegel verschlungen. Die nächsten drei Dörfer haben noch nicht mal einen Metzger oder Kaugummiautomaten und so hungrig, dass ich irgendwo tropfend Klingel würde (es regnet ja immer noch) bin ich dann doch nicht. Im vierten Dorf gibt es neben einer Ruine auch einen Imbiss, aber der hat von Dienstag bis Donnerstag Ruhetag. So steht es an der Tür. Ohne „e“. Laut Google Maps sieht es auf den anderthalb Stunden Rückweg nicht viel besser aus. Aber im Wald hört mich auch niemand fluchen. Oder singen. Am dritten Tag meiner Reise fange ich nicht nur an Ortsnamen und Schilder laut vorzulesen, sondern auch zu singen, was bei mir ein gutes Zeichen für einsetzende Erholung ist; wenn Gedanken und Stimmungen so durch mich durchgleiten können, dass sie klingen.

Es gibt oft diesen Punkt, wenn ich lange genug allein in der Natur bin, vielleicht hat auch die Erschöpfung damit zu tun, an dem ich geil werde. Dann denke ich an Sex im Moos, auf Wiesen, in Böschungen an Baumstämme gepresst oder einfach an Masturbation; so durchnässt bin ich quasi eh nackt und keuchend sowieso; ganz bei mir, umschlossen vom Wald ist das ein gedanklich kleiner Schritt zur Verschmelzung mit Gaia. Auch ein Loslassen und Auflösen.

Als ich am frühen Abend wieder an der Unterkunft ankomme, klart der Himmel auf.

23.06.2021

Statt loszufahren flicke ich das Loch im Schlauch und schaffe es bis zum überübernächsten Dorf um einzukaufen. Lesen, schlafen, starren, aufschreiben und wieder schlafen. In der Stille, in den Wiesen begegnet mir überall L.

22.06.2021

Willkommen in Groß Fredenwalde. Die Gastgeberin und ich reden immer leiser, wie um nicht die Idylle zu stören. Hier das Zimmer im denkmalgeschützten Eselstall, das ist der Hund, da hinten die Schafe, von hier kann man den Fuchs und die Kraniche beobachten, die haben zwei Junge dieses Jahr, die Wolle um die Beete soll die Schnecken fernhalten, dort nisten die Schwalben, den Mauerseglern in die Wand nicht hoch genug für die ersten Sturzflüge ihrer Jungen, die Rosen haben unter der Hitze gelitten, aber jetzt steht sie in voller Blüte, die Linde seit gestern, darum das laute Summen im Hof.

21.06.2021

Die einen interessieren sich eher für den selben Urgrund zweier Phänomene, die anderen dafür, dass bei zwei Phänomenen auch zwei unterschiedliche Gedichte herauskommen. Beide interessieren sich für den Leib, der das tragen muss, beide für das Geheimnis, die Magie, aber die Methode, am Ende führen wir doch wieder Methodendebatten, wenn es doch nur nicht so warm wäre.

F. regt sich manchmal darüber auf, dass mir egal ist, ob ein Internetvideo gestellt ist. Aber woran entscheidest du dann, ob es seltsam oder lustig ist?, fragt er dann. Na gar nicht. Wenn die Performance stimmig ist, wenn ich einen swipe lang unterhalten bin, was kümmert mich dann Wahrhaftigkeit. Die Frage stellt sich mir nicht. Sobald sich jemand entscheidet, ein Video zu machen, ist es ein Handeln im Wissen der Beobachtung; ich kann nach Authentizitätseffekten fragen, aber nur wenn sie im Dienst des Affekts stehen, spielen die eine Rolle und der Rest der Welt ist eh CGI.