Jahr: 2021

07.03.2021

Im Park treffe ich den Bundespräsidenten und er diktiert mir einen Brief. Zum Glück habe ich etwas zum Schreiben dabei, so auf dem Schoß ist es aber etwas unleserlich und er hat auch keine Briefmarke oder Wechselgeld dabei, was etwas ärgerlich ist, aber wenn ich kleine Münzen extra im Einkaufswagen stecken lassen, dann riskiere ich ja auch, dass die jemand nimmt, der sie eigentlich nicht nötig hat.

06.03.2021

Schleimgeschmack im Mund, als wäre der Rachen ein versiffter Abfluss und dann doch nicht Joggen, weil Putzen, Einkaufen und Treppensteigen dann doch schon anstrengend genug ist. Die Art von Fahrigkeit, bei der ich hungrig in die Küche komme und erstmal weiter putze, um die Ordnung und Kontrolle zurückzubekommen. Wenn ich schon den Laufkalender schwänze und mich vom REWE überfordert mit einer Tafel Schokolade an der Kasse wiederfinden, dann wenigstens mit sauberem Waschbecken.

05.03.2021

Kurz vor Funkschluss doch noch geschafft und viel primitiver, als ich es die Stunden zuvor versucht habe: Jetzt lässt es sich leichter durch die Jahre klicken. Ob ich das dann auch wirklich mache, ist nebensächlich.

04.03.2021

Kann es sein, dass mir erst jetzt, nach Jahren mit Blut im Mund auffällt, in welchen Phasen ich mir die Wangen aufbeiße? Dass es da eine Verbindung zum angespannten Kiefer gibt? Zu unangenehmen Gesprächen, angsteinflößenden Sprechsituationen und Unausgesprochenem, das mich buchstäblich auffrisst, das versucht den Vorhof der Sprache einzureißen?

Das ist die Stelle, an der ich aufpassen muss nicht die Luft anzuhalten, weil der Gedanke sonst in die analytische Masturbation, die theoretische Ablenkung  vom Erlebten abrutscht, dabei deutet die Beobachtung eigentlich nur wieder auf die Meditation, während der ich sie zulassen konnte. Also loslassen (aufschreiben) und wieder ausatmen.

03.03.2021

„In Klausur gehen“ kommt aus dem Lateinischen: Clausura (= Verschluss) und bezieht sich ursprünglich auf den abgeschlossenen Teil eines Klosters. In der Spätmoderne tut es aber auch ein WG-Zimmer, eine zusätzliche musikalische Akustikwand und – am wichtigsten – eine Software zum ablenkungsfreien Schreiben.

02.03.2021

Grrrrrr.

Eine halbe Pampelmuse und Kaffee zum Frühstück, zu kraftlos zum Joggen und dann, während wir Laufen sind, eine riesige Portion Nudeln machen und vor dem Abendessen sagen, man sei leider schon total überfressen? Schlaf gut, Smileys und GIFs, wenn es gerade zur Laune passt? Lieber die Spülmaschine zweimal laufen lassen, anstatt die Salatschüssel oder einen Topf mit der Hand abzuwaschen und das Geschirr daneben stapeln? Aber wer muss den Anblick und diese Atmosphäre den ganzen Tag ertragen, weil sein Auge gar nicht anders kann als die Oberflächen nach Aufgaben und Rissen abzusuchen und wer muss dann später die Maschine aus und wieder einräumen? Natürlich ist das wie der schlechte Schlaf nur ein selbstverstärkendes Symptom und nicht die Antriebskraft des Ursachenkreisels, aber ey:

GRRRRR.

01.03.2021

Labern und Gerede, Gerede und Labern, schreibe ich auf die großen Pappbögen; wer Logorrhö sagt hat nicht hingehört, nicht verstanden, dass es nicht um protestantischen Mehrwert und Kohärenz geht, das ging es nie, sondern darum, die Welt und das Ich zu erzeugen, das da spricht, und zwar immer im Miteinander, im Dazwischen, es geht also um Geborgenheit, Anerkennung, die Vergewisserung im Spiegel der Stammesgemeinschaft und um Erotik, denn hören ist sprechen und sprechen ist hören, also wird gelabert und geredet und geredet und gelabert und schon ist es wieder Theorie und auch Brecht sagt Hallo, denn auch reine Wissenschaft war es nie, es war immer auch Kunst und Literatur, und so schreibt er ironisch über das Radio: „Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. […] Ein Mann, der was zu sagen hat und keine Zuhörer findet, ist schlimm daran. Noch schlimmer sind Zuhörer daran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat.“