Jahr: 2022

03.04.2022

Im Villenviertel glänzt selbst das Gefieder der Amseln edler. Vornehm verhaltenes Zwitschern von oben herab. Ich richte meine Mütze, zupfe am Schal und grüße zurück. Der Rucksack verrät mich, aber die Haltung stimmt.

02.04.2022

Ein Video in der Ausstellung ist aus Aufnahmen aus der Ukraine seit der Besetzung der Krim zusammengeschnitten: Interviews, Naziaufmärsche, brennende Kirchen, Polizeigewalt, Bilder von Überwachungskameras, Militär, Schlägereien, Explosionen usw. Drei Szenen lassen mich nicht mehr los. Die erste ist aus der Windschutzscheibe eines langsam fahrenden Autos gefilmt. Am Rand der Straße stehen und knien Menschen, Schüler werfen Blumen vor das Auto. Irgendwann fängt jemand nicht sichtbar im Auto an zu schluchzen und eine andere Stimme spricht auf ihn ein. In der zweiten ist u.a. ein junger orthodoxer Priester zu sehen. Mit dem Rücken zur Wand und angsterfüllt beantwortet er Fragen zu seiner Homosexualität und warum er sich für diesen Tag online mit einem 14-jährigen Jungen verabredet hat. Die dritte Szene besteht aus vier Videos, die nebeneinander montiert sind. In zwei davon ist Feuerwerk zu sehen, in den anderen beiden Luftangriffe und Raketenbeschuss.

Nach 40 Minuten und dem Abspann habe ich genug. Auf einen der Wegweiser im Park hat jemand einen glitzernden Sticker geklebt, auf dem „Frieden“ steht, aber kaum bin ich wieder zu Hause beginnen sich auf Twitter die Bilder und Videos aus den Dörfern zu verbreiten, aus denen sich die russischen Truppen um Kiew wieder zurückgezogen haben. Auch hier Triggerwarnungen, die ich ignoriere.

01.04.2022

In Gedanken noch bei den Klippen von Sardinien, erklimme ich die Treppen zum Stofffachgeschäft. Diplomatisch gesagt verstehen sich die Mitarbeiterinnen untereinander sehr gut, teilen ihre Essen miteinander und mögen die Musik, die in der Fabriketage läuft. Genau wie beim Tanzkurs am Vorabend bin ich der Quotenmann und wären da nicht die aufgeregten Modedesignstudentinnen (keine Zweifel) auch die einzige Person unter 40. Weil ich mich beobachtet fühle, gehe ich zielstrebig zum erstbesten Regal, mustere mit kritischem Blick die Auswahl und fasse probeweise einige der Stoffe kopfschüttelnd und stumm murmelnd an, damit es so aussieht, als wüsste ich, was ich tue. Erst dann sehe ich das Schild an der Regalreihe: Biobaumwolle und Kinderstoffe – Ich hatte mich schon gewundert. Hier bin ich völlig falsch, schaue mir die Sterne, Piraten und Dinos aber noch kurz weiter an, bevor ich unauffällig in den nächsten Gang schlendere.

Auf dem Weg nach Hause mache ich als Auszeichnung für meine Expedition bei einer kleinen Bäckerei halt, die nach mehreren Schachteln Zigaretten am Tag aussieht, aber auch beim Mandelhörnchen wird nicht gegeizt.

31.03.2022

Schlappedischlappschlapp ruft der Bauer ins Tal und die Kühe wackeln ihm zum Gruße mit den Blumenkränzen auf dem Kopf.

30.03.2022

Wieder überwunden, wieder mitgekommen und quasi angegrillt (also hungrig im Rauch neben der riesigen Paella-Pfanne gewartet).

29.03.2022

Übertopfbeschlüsse (zum Trotze)

28.03.2022

„Sorry, what’s your name again?“
„Freerk“
„Frer‘?“
„F r two e r k“
„Ah, wow, i never heard that name before. What does it mean?“
„It means the one who jumps over his shadow, faces his fears, overcomes his instincts, embraces his failures; the one who still gives his best during the choreography, even if he couldn’t attend the first two hours of class; the one who goes out for a beer with the group afterwards, even though he doesn’t know anyone; the name of a warrior of a new kind of masculinity, of playful courage and gentle strength.“
„Ah, so it’s not a commen german name?“
„Not really. Where do you come from?“