Jahr: 2022

27.11.2022

Mein erstes bewusst wahrgenommenes Weihnachtslied dieses Jahr stammt von einem kleinen Posaunenchor auf einem noch kleineren Weihnachtsmarkt im Süden Berlins. Das Tränchen, das ich dabei verdrücke, ist noch winziger, aber die Verwunderung groß.

Eigentlich waren wir für einen performativen Audiowalk auf das Gelände gefahren, aber als wir wieder nach Hause kommen und die Reste vom Abendessen verschlingen, fallen wir in einen tiefen Schlaf, als wäre da noch viel mehr passiert als Sonne, Luft und Kunst. Sonne, Luft und Kunst und wieder ein erster Advent.

26.11.2022

Meine Schwester erzählt, dass in Stockholm ja schon letztes Jahr alle BeReal gehabt hätten und in Island laut einer Freundin von ihr sogar schon im Jahr davor. Verständlich. Früher war Island für die höchste Dichte an Autor:innen und Musiker:innen relativ zur Einwohnerzahl bekannt. In so einem isländischen Winter lässt sich auch nicht viel anderes machen, als selber Ideen in die Felslandschaft zu setzen. Mittlerweile ist das WLAN in Island besser und man ruft sich zur Begrüßung durch den Schneesturm nur noch Namen von Apps zu. Ich würde ja ein Beispiel nennen, aber die neusten Trends hängen noch irgendwo vor der Küste Norwegens fest.

25.11.2022

Solange die Eltern stolz darauf sind, dass ihre Kinder zu Fridays for Future gehen, sei der Protest noch zu schwach, erzählt der Fernsehsoziologe. Solange sei es noch keine Revolte, diese sei aber dringend notwendig.

Da fällt mir ein, dass ich „Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft“ von Ted Kaczynski – dem Unabomber – noch auf meinem E-Reader habe. Kaczynski hatte den Text 1995 an die New York Times und die Washington Post geschickt und angeboten, seine Bombenattentate zu beenden, falls sie das Manifest veröffentlichen würden. Das geschah dann in Absprache mit dem Justizministerium und dem FBI auch. Verhaftet wurde er erst ein halbes Jahr später.

1995 wendete man sich als Terrorist noch an Zeitungen. Heute würde Marco Buschmann vielleicht mit Toni Kroos verhandeln. Dem folgen auf Instagram 36 Millionen Accounts. „Komm schon Toni, nur eine Story, dann hören die auf und wir stehen alle nicht mehr im Stau!“

24.11.2022

Zeit für Textarbeit, nur nicht, um darüber zu schreiben.
Die Freude drängt sich zwischen die Sätze und wackelt mit den Zeichen.

23.11.2022

Letztens habe ich ein Video gesehen, in dem sich ein Mann über Deutsche lustig macht, die im Winter in ihren dicken Winterjacken mitten auf dem Parkweg stehen bleiben, die Augen schließen, sich zur Sonne drehen und glückliche Seufzer von sich geben. Daran denke ich, als ich mich während der Mittagspause selber dabei erwische. Und dann auch noch im Mauerpark. Wenn schon Kartoffel, dann im Prenzlauer Berg. Später am Abend fällt lachend der Satz: „Es sterben jedes Jahr mehr Menschen durch Gravitation als Radioaktivität.“ Und na klar, Anziehung ist viel gefährlicher als Strahlung, denn es fühlt sich einfach immer nach der richtigen Richtung an.

22.11.2022

Mein Friseur hat keinen Termin vor Weihnachten mehr frei. Das ist meine jährliche Erinnerung, mich um die Sachen zu kümmern, die ich dieses Jahr mal früher angehen wollte. Leider kann ich mich auch dieses Jahr nicht daran erinnern, was es war. Nächstes Jahr wird das anders. Wenn ich mich an St. Martin erinnere, dass ich mich an etwas erinnern wollte, dann habe ich es bis zum ersten Advent bestimmt parat.

21.11.2022

Die am wenigsten hilfreichen Trotzwiderstände sind immer gegen die Dinge, die sich nicht ändern lassen, die gerade halt so sind oder die man genauso gut mit einer Umarmung und einem geträllerten „Jaaaahaaa!“ in sich aufnehmen könnte. Aber nein, das wäre natürlich zu einfach. Also Reibung. Allerdings habe ich bei 7 vs. Wild und Naked and Afraid gelernt, dass es wichtig ist, auf den Kalorienverbrauch zu achten, wenn man auf einer Insel vor der Küste Panamas überleben will. Also doch zuerst Kokospalmen suchen.