Monat: Januar 2021

24.01.2021

Nett, auf die Art, bei der ich mir wünsche, Mittelmäßigkeiten besser wertschätzen zu können, oder mich ermahne, selbst für die Inspiration zu sorgen, oder mich bei allem Vorsatz, eine heilende Langeweile zu genießen, es mit der Bewegungslosigkeit übertreibe und mich in eine melancholische Trägheit verdrehe. Aber eben auch nett, denn es gibt Blaubeerscones, Käse, Mango, Schokoladenkuchen, ein Lagerfeuer und ein Podcast, der mich an der Ampel laut zum Lachen bringt.

23.01.2021

Stück für Stück den zersägten Weihnachtsbaum (die Nordmanntanne mit patentierter Ständerbohrung) ins Lagerfeuer legen, um alle bösen Geister in der Nachbarschaft auszuräuchern. Dazu gibt es Aperol Spritz. Handschuhe, Mützen, Schals und Aperol Spritz. Keine Eiswürfel notwendig.

22.01.2021

Nach dem Aufwachen suche ich im Internet nach Seitenschläferkissen. Also eigentlich ist komplizierter: Ich bin mit der zweiten Decke im Arm und zwischen den Beinen aufgewacht, habe gemerkt, dass ich zum ersten Mal seit mehreren Nächten wieder besser geschlafen habe, dann überlegt, ob im Bett wohl noch für eine dritte Decke Platz wäre, wenn man zu zwei darin liegt und welchen Bezug ich dafür nehmen würde, weil eine dritte Decke gar nicht in mein bisheriges Bettwäschesystem passen würde, habe dann gedacht, dass es im Spätkapitalismus für dieses Problem doch bestimmt ein spezialisiertes Produkt gibt, habe angefangen zu googeln und bin dann für eine halbe Stunde in der Welt der Schwangerschafts- und Spezialkissen versunken. Weil die aber auch alle spezielle Bezüge brauchen, Geld kosten, Platz wegnehmen und sich im Gegensatz zu Decken nicht glatt gestrichen in der Bettoberfläche verstauen lassen, endet die Geschichte an der Stelle auch genau so aufregend wie sie begonnen hat. Null Punkte für den Spannungsbogen, aber volle Punktzahl für die Konsumbereitschaft und den überzeugenden kurzfristigen Glauben an die WeltSchlafformel.

21.01.2021

In meinem Umfeld häufen sich die privaten Einzelfallhilfen. „Wir können uns dafür gerne mal zusammensetzen und das gemeinsam anschauen, oder falls du eine Arbeitsumgebung dafür brauchst oder so…“ Aber auch Telefonnummern werden ausgetauscht. Vom Bruder, den Eltern, der Mitbewohner. „Falls ich mich bis zum Mittag mal nicht gemeldet habe, zum aus dem Bett kommen oder falls mal was ist …“ Die Sätze enden immer im Nichts, egal ob gesprochen oder geschrieben. Wenn sich jede:r um ihren Nächsten kümmert, dann ist für alle gesorgt, oder wie?

20.01.2021

Kopfschmerzkrieger an der Schmerzmittelgrenze. Nicht aus Qual, sondern weil es nervt, dass das Kopfchaos jetzt auch noch getrübt ist. Ok, vielleicht also eher Kopfschmerzbürokraten an der Beschwerdemailgrenze. Medikamentöses mit dem Finger wedeln während der Mittagsruhe.

19.01.2021

Natürlich war das mit dem Flow etwas gelogen. Zumindest war damit keine Arbeit gemeint. Eigentlich war ich nach den Nachrichten, den Mails und der Wäsche zurück ins Bett gegangen, um die letzten Kapitel des Romans zu lesen, aber das kann ich natürlich niemanden erzählen – Vormittags an einem Werktag. Da muss man irgendetwas tun, um seine Pause zu verdienen.

18.01.2021

Das doppelte So-Sein und das gegenseitige Zögern kürzen sich weg und es bleiben zwei Achsen und die Verantwortung für den Moment. Das Bild macht mir auch etwas Angst, muss ich gestehen. Versteh das bitte nicht falsch. Der Grund für mein Unbehagen ist der Verfremdungseffekt, der Anblick des eigenen, archaisch entstellen Körpers, die uneindeutigen Posen und schweigenden Gesichter; dazu auch noch unbemerkt fotografiert. Das Bild lädt sich beim Betrachten mit Bedeutung auf. Dieses Unheimliche hat also einen Grund, aber in dem Sinn keine Bedeutung. Aber auf einer anderen, vielleicht poetisch-romantischeren Ebene liegt da noch etwas anderes in dem Bild, was nur so nach Bedeutung brüllt, aber sich nicht ebenso erklären oder entschlüsseln lässt. Ich kann es selber nur auf Umwegen zum Ausdruck bringen. Dieser Überschusssinn fasziniert und beunruhigt mich. Dieses Foto behauptet uns zu zeigen und ein Abbild der Wirklichkeit zu sein, und trotzdem kann ich es nicht verstehen, sondern nur erleben. Das macht mich nachdenklich und melancholisch; ich bin von seiner Macht eingeschüchtert, nicht von uns.