Monat: Januar 2021

10.01.2021

Ein Kondom und ein „Gute Nacht“-Teebeutel in einem leeren Eiscontainer neben dem Bett. Was es wohl kosten würde, sich das als Stillleben malen zu lassen? In Öl und mit einem schweren Rahmen aus Gold natürlich. Für die Tage, an denen ich vergesse, wie gut es mir geht.

09.01.2021

Wenn ich am Abend Bilanz ziehe und unzufrieden bin, dann füge ich nachträglich Sachen wie das Frühstücke oder Zähneputzen mit auf meine Tagesliste. Wenn die dann immer noch unbefriedigend ist, schreibe ich den Ärger über jede Sache, die ich nicht getan oder abgebrochen habe, noch mal als separaten Punkt auf. Immer mit einer anderen Umschreibung: unzufrieden über die verdaddelte Mittagspause, enttäuscht vom ausgefallenen Morgenschreiben, genervt von der Getriebenheit, alles nach Tagesplan erfüllen zu wollen etc. So viele verschiedene Emotionen muss man an einem Tag erst mal durchleben können. Das Verhältnis von Häkchen zu Kästchen wird mit jedem Vorwurf immer besser.

08.01.2021

Eine Online-Tanzperferformance per Zoom. Gefühlt die erste Kulturveranstaltung seit Monaten, an der ich teilnehme. Die zwei Performer:innen sind nicht im gleichen Land, vielleicht nicht mal auf dem gleichen Kontinent. Bei ihm scheint noch die Sonne durch die Fenster und bei ihr sieht es so aus, als wäre die Nacht schon was älter. Die Zuschauer:innen sollen ihre Videos eingeschaltet lassen. Einer versucht seine Katze vom Laptop fernzuhalten, eine andere ein Kleinkind. Manche haben sich unter der Ankündigung „interaktiv“ mehr vorgestellt, vielleicht sitzen sie für Videokonferenzen aber immer auf dem freigeräumten Wohnzimmerboden.

07.01.2021

Sauerteig, Nachrichtenticker, studentsche Initiativen, Forschungsnetzwerk, Sport, Steuerunterlagen, Lebenslauf und umgetopfte Pflanzen … kein Wunder, dass ich bei all den Erwartungen und Vorhaben in der Wohnungsluft nach dem Abendessen noch vier Scheiben Toast (mit vier unterschiedlichen Schokoladencremes!) nachschiebe.

06.01.2021

Neue Technologien bringen auch neue Probleme mit sich. Meine neuen Fahrradtaschen zum Beispiel sind so durchdacht, dass ich erstmal einige Minuten selber denken musste, bevor ich sie am Gepäckträger hatte. Sie sind so flexibel falt- und fixierbar, dass ich kurz davor war nach einem Tutorial für die optimale Falt- und Fixiertechnik zu suchen. Mit den alten Taschen von ALDI Früher! wäre das nicht passiert.

05.01.2021

Ich empfehle in diesen Tagen wieder öfter Primitive Technology, einen YouTuber der im australischen Wald zeigt, wie man Feuer macht, einfache Steinwerkzeuge herstellt oder Hütten aus Lehmziegeln baut. Dabei spricht er nicht, aber man kann ihn hören, wie er Äste zerbricht, Barfuß durch das Unterholz stapft oder bis zu den Ellbogen im Matsch steckt. Warum ist das so faszinierend? Vielleicht, weil ein warmer Wald so ziemlich das Gegenteil einer kalten Winterwohnung ist und weil jemandem so zuzusehen, mich beruhigt und ermutigt. Da erschafft jemand etwas mit bloßen Händen aus den Dingen, die ihn umgeben. Das ist nah (ich habe auch einen Körper und will produktiv den Verlauf der Zeit erzählen) und fern (der australische Wald und die Fähigkeiten, meinen Körper so einzusetzen) genug, um die imaginierten Grenzen des Möglichkeitsraums zumindest zeitweise ein Stück zu erweitern. Eigentlich Tanzvideos.

04.01.2021

Angeblich stehen die tödlichsten Monate noch bevor. Die ersten Intensivstationen sind voll ausgelastet. Ich kann und will also nicht so tun, als wäre nichts und versuchen zu Hause eine virtuelle Heimnormalität aufrecht zu halten, aber gleichzeitig will ich auch nicht in die Dunkelheit scrollen.

Wie könnte als ein Ritual oder eine Routine aussehen, dass ich wie den Tee am Morgen oder meine Einträge hier in den Tag aufnehmen kann, bei dem ich mich der Ausnahmesituation gewahr werde, ohne mich ihr auszuliefern?

Vielleicht etwas mit Geruch? (Aerosole) Oder mit einem Spritzer aus der Sprühflasche? (Tröpfchen) Vielleicht ein duftender Nebel? Ein Zaubertrank, mit dem ich mich benetze? Einen Schutzzauber, durch den ich am Morgen in die Restnormalität trete?