Monat: Februar 2021

21.02.2021

Wir scheißen auf posttraditionelle Bedarfsgemeinschaften, Teams mit starken Persönlichkeiten und neoliberale Selbstverwirklichungsindividuen. Wir rufen vom Balkon die Republik der Komplizen und Gefährten aus.

Es regnet Schweiß und Blut und vielleicht versteht niemand, was du da mit angehaltener Luft schreist und lachst, aber sie spüren es. Zumindest an den Glauben musst du dich klammern, wenn du dem Nachthimmel irgendetwas entgegensetzen willst.

Nur in Geschichten können die langweiligen Wüstenmärsche eines Abenteuers in ein paar Absätzen abgehandelt werden, also musst du selber der Geschichtenerzähler sein.

20.02.2021

Ich kaufe überstürzt viel zu viel Kuchen. Mein Geld reicht gerade eben so. Und unmittelbar danach, eigentlich noch beim Bezahlvorgang, fällt mir natürlich auf, dass ich das nur tue, um mir selber das Gefühl zu geben, den anderen zu Hause und mir etwas Gutes zu tun. Wenn es mir wirklich darum gegangen wäre, eine Freude zu machen, dann hätte ich erst darüber nachgedacht, wer gerade mehr oder weniger vegan ist, wer zuckerfastet und welchen Kuchen ich eigentlich gerne mag, bevor ich drauflos kaufe. Ertappt.

19.02.2021

Die Jalousien sind herunter gelassen, aber durch das Fenster der Tür sehe ich, dass vor dem Tresen bereits die Kameras für den Kneipenquiz-Livestream aufgebaut sind.

„Hallo, ich bin hier, um eine Flasche Mexikaner abzuholen.“
„Ah cool, zu welchem Team gehörst du?“
„Zu keinem, aber ich habe mir den Horizont verloren und das auf Facebook gesehen und dachte, das passt.“
„Achso. Wir hatten leider keine Kornflaschen mehr, darum in einer Wasserflasche.“
„Kein Problem. Cool danke.“

18.02.2021

Meinen Spotanvortrag zum Eisvogel halte ich mit meiner „jeder im Klassenzimmer soll mich noch hören, auch die, die nicht aufpassen wollen“-Stimme, die leider nicht so viele Nuancen hat, dafür aber Druck und mehr ist beim Joggen ja wohl auch nicht zu erwarten. (Schon wieder ein Eintrag zum Laufen, aber sonst passiert ja nichts, also es passiert viel – in der Innenwelt – aber die Außenwelt bewegt sich halt träge durch die immer gleichen Eindrücke.) Am Nachmittag bekomme ich personalisierte Werbung für ein Notizbuch der Marke Eisvogel, und ich frage mich, ob sich solche Schlagwortwerbug lohnt, also ob Menschen, die Eisvögeln hinterher recherchieren, auch öfter Notizbücher kaufen.

17.02.2021

Die Nervosität vielleicht nicht bezwungen, aber zumindest erkannt und in Schach gehalten, tanze ich mit wehendem Bademantel und vorsichtigem Stolz in der Brust einen Siegestanz vom Waffeleisen (Pastinake-Sellerie) in Richtung Badewanne (Lavendel-Sandelholz), wo schon Cocktail (Moscow Mule) und Lektüre (Akzente – Zeitschrift für Literatur) warten. Die Jalousien lasse ich für die Paparazzi offen. Die Frisur sitzt und muss gesehen werden.

16.02.2021

Ein Workshop zur sozialen Absicherung an einer Kunstuni und die Dozentin fängt mit den Vor- und Nachteilen von Immobilienkäufen an. Betretenes Schweigen. Tipps und Tricks zur Vorbereitung auf die Altersarmut wäre doch auch schöner Titel gewesen.

15.02.2021

Kurzes Minderwertigkeitsgehampel, als die Mitbewohnerin der Freundin von ihrer morgendlichen Stunde Yoga in die Küche kommt, wo ich schon am Laptop sitze. Aber was mache ich denn hier anderes. Auch ich würde eher eine Stunde früher aufstehen, als auf die Übungen an der Tastatur verzichten, mit ihren wiederholende Figuren und auch an Tagen, an denen ich keine Lust habe.

Was haben die Menschen denn „früher“ am Morgen gemacht? Mit ihrem Tee aus Fenster gestarrt? Mein Tee und ich scrollen zum Wachwerden, dann wird geschrieben und danach im Müslibecken wieder alles losgelassen. Den Kopf ein paar Minuten im Handy treiben lassen, tief seufzend räkeln und dann zurück an die Maschine.