Monat: Februar 2021

14.02.2021

Der Schlüssel bricht mir im neuen Schloss ab, ein Nachbar sieht mich entgeistert im Hof stehen und wirft mir Enteisungsmittel vom Balkon. Damit (und mit dem Ersatzschlüssel) kann ich das Schloss öffnen, aber die Gangschaltung lässt sich davon nicht beeindrucken. Eine Stunde im gemächlichen Tempo später merke ich verschwitzt, dass mittlerweile nicht nur der Knopf, sondern auch der vor einigen Monaten ausgewechselte Reißverschluss der Hose wieder aufgegeben hat. Diese Last kann der Gürtel nicht auch noch halten. Bei diesen Temperaturen lässt sich dafür Eiscreme ohne Probleme auf dem Gepäckträger transportieren, aber die Blumen habe ich trotzdem sicherheitshalber aus Papier gefaltet. Die Narzissen waren vor ein paar Tage nicht begeistert über die halbe Stunde Stadtwinterlandschaft auf dem Rückweg vom Discounter.

13.02.2021

Auf dem Hinweg sitzen die Möwen noch auf dem Fluss, aber als wir zurückkommen, hat die Sonne die Eisschollen schon wieder in Bewegung versetzt.

In der Wikipedia steht, dass Möwen bis zu 30 Jahre alt werden können. Also erinnern sich zumindest einige von ihnen wohl daran, was da mit ihrem Fluss passiert.

12.02.2021

Beim Abgießen der Nudeln verabschiedet sich die Schraube, die den Abfluss am Spülbecken hält und das Nudelwasser läuft mir mit den Resten der porösen Dichtung aus dem Schrank auf die Füße. Die Stimmung verabschiedet sich daraufhin kurzerhand aus dem Dachgeschoss in den Keller. Kurz vor dem Abendessen noch an geschlossene Baumärkte und Frickeleien in Rohren zu denken, würde ihr eh nur den Appetit verderben. Nach dem Aufwischen und Essen folgt die gemeinsame Lagebesprechung und Begutachtung der Schäden: Die Ersatzdichtungen für die Bialetti sind zwar etwas zu klein, aber würden passen und eine neue Schraube hätten wir auch, nur nicht aus Edelstahl. Aber die alte hat ja auch über 10 Jahre gebraucht, um wegzurosten und Provisorien dem Zeitgeist viel angemessener.

11.02.2021

Singen wie Jean Paul schreibt. Laut und im schönsten Sinne abschweifend.

„In der Kindheit der Völker war das Reden Singen; dies werde für die Kindheit der Einzelwesen wiederholt. Im Gesange fällt Mensch und Ton und Herz in eins zusammen, gleichsam in eine Brust – indes Instrumente ihm ihre Stimmen nur zu leihen scheinen –; mit welchen Armen kann er nun die kleinen Wesen näher und milder an sich ziehen als mit seinen geistigen, mit den Tönen des eignen Herzens, mit derselben Stimme, die immer zu ihnen spricht, auf einmal aber sich in der musikalischen Himmelfahrt verklärt? –

Dabei haben sie den Vorteil und das Bewußtsein, daß sie selber auf der Stelle nachmachen können. Singen erstattet das Schreien, das die Ärzte als Lungen-Palästra und erste Rede-Waffenübung so loben. Gibt es etwas Schöneres als ein frohsingendes Kind? – Und wie pflegt es unermüdet zu wiederholen, was sonst gerade diesem Seelchen in allen andern Spielen so widersteht! Wie das spätere Alter, der Alpenhirt, der angekettete Arbeiter die Leere und den Sitzzwang versingen: so versingt das Kind die Kindheit und singt fort und hört nur sich. Denn Tonkunst, als die angeborne Dichtkunst der Empfindungen, will eben, wie jede Empfindung, nichts sagen als dieselbe Sache unersättlich im Wiederholen, unerschöpft durch Laute.

Der Vater, ähnlich den Friesländern – dem Sprichworte zufolge: Frisia non cantat –, singt nicht oder selten; ich wollte, er tät’ es für seine Kinder; und die Mutter für ihn und sie.“

Jean Paul Friedrich Richter (1807): Levana oder Erziehlehre, drittes Bruchstück, fünftes Kapitel, § 61.

10.02.2021

„Belagerst du mich?“, fragt sie mich und ich zögere. „Jein“, antworte ich nach einer kurzen Bedenkpause. „Ich weiß, dass du mit der Pest in der Stadt gerade keine Belagerung gebrauchen kannst, und deshalb spiele ich betont tief ins Sofa gerutscht auf dem Handy herum, um dir zu signalisieren, das meine Aufmerksamkeit gerade gar nicht ganz bei dir ist und du dir keine Sorgen machst und wenn ich dir Sachen erzähle, dann von Dingen, die ich auf meinem Handy sehe und dabei wackele ich mit den Beinen, um nicht so bedrohlich auszusehen, eher zwanglos, als müsste man sich um den nicht kümmern und sich nicht beeilen, weil der ist ja zufrieden beschäftigt, aber er ist halt noch da, und das will ich ja auch, dass du das merkst, weil ich das ja will, einfach nur bei dir sein, ohne zu nah zu rücken, was ja der eigentliche Wunsch wäre. Aber wenn ich da so erzähle, dann merke ich natürlich auch, dass das auch eine Art heimtückischer Aufmerkamkeitsbelagerung ist, auch wenn ich mit den besten Willen mit dem Wunsch abgeschlossen habe und eine liebevoll-distanzierte Teilnahme ausdrücken will. Der Kommunikationsinhalt halt doch vom Empfänger konstruiert. Aber dann frage ich mich, wie ich es sonst machen soll. Mich zurückziehen und versuchen nicht nur Existenz der Pest, sondern auch die der Stadt zu verdrängen? Das mich meine Sehnsucht nicht zum Eintritt berechtigt, muss ich akzeptieren, aber ist bangend im Zimmer zu liegen der Liebesbeweis, den..“ „Das ist aber auch eine Belagerung“, unterbricht sie mich und ich hole Luft für Empörung, aber stoße nur auf Katapulte.

09.02.2021

Der Punkt ist erreicht, bei dem ich beim Joggen überlegen muss, ob ich für ein Überholmanöver Schnee bis zum Knie in Kauf nehmen würde. Auch lange nicht mehr gehabt.

08.02.2021

Anstatt die Pause zu nutzen, backe ich noch schnell einen Marmorkuchen und weil ich mich beim Yoga eh nicht richtig konzentrieren kann, putze ich lieber das Zimmer und beziehe das Bett neu. Weil ich vor elf geschlafen habe, wach ich um halb sechs auf und überlege, ob ich nicht eher wieder müder werde, wenn ich noch eine weitere Schlafphase probiere. Einkaufen gehen ist ja auch ein Spaziergang. Bin ich jetzt etwa in dem Alter? Sind das die Gene? Die Peergroup?