Monat: Mai 2021

17.05.2021

Traum von einem Heulkrampf, so stark, wie ich schon seit Jahren nicht mehr geweint habe. Ich krümme mich in abgetragenen weißen Unterhosen auf dem Balkon wie so ein deutscher Theaterschauspieler.

16.05.2021

Wer früh aufwacht, kann auch noch Kuchen backen und die toten Zweige des Himberbuschs aus dem Hochbeet zupfen. Mittlerweile bin ich mir sicher, welche nicht mehr austreiben werden, aber trotzdem macht mir die Gartenschere vorwürfe, denn ich hätte die Pflanze schon im Herbst zurückschneiden sollen. Ich löse vorsichtig eine Rute nach der anderen aus den Rankhilfen und trenne sie über dem Boden ab. Das ganze fühlt sich weniger nach Beetbereinigung und mehr nach Ernte an und meine Fingerspitzen schwelgen in Erinnerungen, die Zunge seufzt und vermisst die sonnige Süße. Zwar tragen die jungen Triebe bereits kleine Knospen, doch im Balkonblickfeld bleibt erst mal ein Loch zurück. Totes Holz ist auch Deko, aber jetzt ist zu spät und so ist mehr Licht und Platz für das, was kommt.

15.05.2021

Solange das Koffein wirkt, einfach weitermachen und wenn der Hunger kommt, erst mal Abstand nehmen: „Klärt das mal und schreibt mir, ob ich irgendwo was abholen oder noch beim Supermarkt vorbei soll. Ich muss raus hier, um euch und mich zu schützen.“

14.05.2021

Das virtuelle WG-Castinggespräch dauert länger als gedacht, was eigentlich ein gutes Zeichen ist, aber so bleibt uns nicht mehr viel Zeit bis zum Theater. Also Arbeitsteilung: Du das Gemüse, du die Nudeln und ich kaufe schon mal das Ticket für den Stream und suche in der Kammer nach der passenden Alkoholbegleitung: Die Politiker von Wolfram Lotz live aus dem Thalia Theater in Hamburg. Karten gibt es bis 10 Minuten nach Vorstellungsbeginn. Schön das die Zuspätkommer auch im Internet mitbedacht werden, aber wir sind pünktlich, gerade so. Eine Minute nachdem ein erst unsichtbarer Chor den Text zu flüstern beginnt, steht der dampfende Topf auf dem Tisch, aber so das er nicht die Sicht auf den Bildschirm versperrt. Mein Laptop schnarrt mittlerweile, wenn man ihn so laut aufdreht und der Wein ist auch nur kalt, weil wir noch Eiswürfel haben, aber dafür ist die Kamera gut und der Text noch besser und dann schauen wir doch alle zusammen das ganze Stück am Küchentisch und ich verpasse den anderen zu sagen, wie glücklich ich bin, hier so sitzen zu können.

13.05.2021

Regenfeiertag – Spaziergang durchs Moabiter Unterholz auf der Suche nach Kunst.

12.05.2021

Zum ersten Mal stehe ich vor Aldi in der Schlange, morgen ist also Feiertag, – gut zu wissen – und obwohl es zuzieht, ist immer noch kein Gewitter in Sicht.

Nach dem Abendessen baue ich mir im Wohnzimmer ein kleines Tanzstudio auf. Ich rolle den Teppich zusammen, lege eine Yogamatte zwischen mich und die Splitter in den Dielen und zünde eine Kerze an. Wenn sich die Treppe zum Obergeschoss schon nicht schließen lässt wie die Tür zum Flur, dann will ich wenigstens einen Lichtkokon, um mich darin verletzlich zu machen.

Zum Auflockern suche ich mir ein Video aus. Der Trainer stellt sich mit seinen Pronomen vor und beschreibt dann, wie er aussieht, was er trägt und wie er steht. Unerwartete Inklusivität hat oft etwas Komisches. Weil er bei seinen Sequenzen auch immer Rollstühle mitdenkt, sind seine Beschreibungen sehr vage und lassen viel Raum für Improvisation und Variationen, seine eigenen Bewegungen hingegen sind präzise und irritierend bestimmt, weswegen ich ab der zweiten Hälfte den Blick auf den Bildschirm vermeide.

11.05.2021

Der Trend setzt sich fort und auch das gute Wetter, was ein bisschen Schade ist, denn ich hatte mich auf das Gewitter gefreut.

Nach dem Laufen sitze ich nur im Schaukelstuhl und wippe langsam vor mich hin. Mehr nicht. Natürlich könnte ich kramen und Sachen hervorholen, mir selber eine kleine Pyramide auf der Brust aufschichten, und ich probiere es kurz aus, bin neugierig, ob es geht, aber ich kann es auch sein lassen und nur Schaukeln. Zumindest ein paar Minuten, aber das ist ja auch schon etwas.