Monat: Mai 2021

10.05.2021

Ich stelle mir einen frühen Wecker, um vor der Arbeit noch die Dinge aufzuschreiben, von denen ich nicht bemerkt hatte, dass ich sie genau so dringend schriftlich brauche. Die freundliche amtliche Bestätigung kommt schon eine Stunde später, ich sehe sie aber erst am Mittag und ab dann habe ich den Rest des Tages frei vom gebückten Gang und den aufgebissenen Wangen und den nervösen Augen und es gibt Kuchen, Sekt, Basketball und Burger und natürlich weiß ich, dass solche Dinge an Geburtstagen nicht so ungewöhnlich sind, aber auch mit Beweisbildern hätte ich dieses Jahr eigentlich nicht daran geglaubt, einfach nur so auf dem Balkon zu liegen.

09.05.2021

Keine Ahnung, ob ich feige und schwach oder mutig und stark war und bin. Wahrscheinlich wie immer beides und weder noch je nach Blickwinkel, und was zählt schon der eigene, aber trotzdem treibt es mich um.

Ich sitze neben meinem Fahrrad an einem Bach, ungefähr 30 Kilometer nördlich von Moabit unter einer alten Eiche, die ich erst um Erlaubnis fragen musste, bevor ich mich unter sie setzen durfte, aber das fällt mir erst im Nachhinein auf. Ich wollte eh nie zum Stein auf der anderen Seite des Feldwegs, sondern immer an den Stamm. Der Stein war nur der Wartebereich, um anzukommen, aber auch am Stamm komme ich nie ganz an, packe mein Schreibzeug nie aus und fahre dann doch wieder zurück.

 

08.05.2021

Rücksprache mit dem Team. (Ich kann mich auf meine Mitarbeiter:innen voll und ganz verlassen.)

Meine Agentin und die Rechtsabteilung raten mir mit der Antwort nichts zu überstürzen, damit es nicht zu unbedachten Aussagen oder Missverständnissen kommt. Nur vor Ende der nächsten Woche, am besten mit ein paar Tagen Puffer, wäre mit Blick auf den Urlaubskalender optimal. Meine Therapeutin sieht das ähnlich, nur rät sie mir auch dafür ein paar Tage frei zunehmen, was ja mal was ganz Neues ist.

Der Social Media Manager, meine Lektorin und der Bäcker, bei dem ich mir an langen Sitzungstagen meinen Spaziergang am Nachmittag mit einer Nussecke versüße, sind sich einig: Ich sollte so schnell wie möglich antworten und die Hoheit über die Angelegenheit zurückgewinnen, damit die jetzt schon auftauchenden Verschwörungstheorien nicht noch mehr befeuert werden. Sie geben zu, das Zögern und feilen am Text und den Bedeutungen sei zwar ehrenswert und handle ganz nach der ausgerufenen Maxime, aber dies sei nun mal eine besondere Situation, bei der kleine Formfehler riskiert werden müssen. Man sei sich auch sicher, dass die in dem Aufruhr um das Thema kaum auffallen und im Kontext des Ganzen auch vergeben werden würden.

Mein Büromitarbeiter und der Praktikant raten mir dazu, solange zu warten, bis es halt wieder passt und erst dann der Anfrage nachzukommen (die sind offensichtlich selber urlaubsreif, aber die Stelle ist eh schon neu ausgeschrieben), da gäbe es ja auch niemanden, der widersprechen würde, dass das richtig und verantwortungsvoll ist.

Also gebe ich den Auftrag, das Thema zeitnah in meinem Terminkalender zu platzieren, aber unter einem Decknamen als Überraschung.

07.05.2021

Ich überlege, das Blog für eine Weile für Besucher:innen zu sperren. Hinter dem Vorhang würde alles Weiterlaufen wie bisher, aber nachdem ich alle technischen Vorbereitungen dafür getroffen habe, kann ich mich nicht entscheiden, was auf dem Schild stehen soll, das ich davor aufstellen will. Irgendwie muss ich das ja erklären, oder? Nur ein Bild von einem Vorhang wäre dann doch zu platt und sieht eher so aus, als gäbe es dahinter etwas, auf dessen Enthüllung es sich zu warten lohnt. Vielleicht also doch lieber ein Bild einer abgescheuerten Raufasertapete und darauf eine unleserliche Botschaft in Kugelschreiber: „Geschlossen, muss gerade Rücksicht auf mich und andere nehmen.“

Aber wie da so ist, wenn Formfragen der Durchführung im Weg stehen, siegt dann doch am Ende die Müdigkeit und der Status quo.

06.05.2021

Verletzte Chronistenpflichten.

05.05.2021

Erste erschreckend schöne Weltverdrehungsleistung zur Bewahrung der Rotationsachsen, Stabilisierung der Horizonte und Sicherung des Fundaments.

Ja, der Klimawandel ist scheiße und wir werden alle sterben, nicht an der Hitze und den Sturmfluten, sondern an mutierten Keimen, an Ressourcenkriegen und faschistischen Regimes, die Ordnung behaupten, wenn Grenzen bewaffnet und Verteilungsfragen mit Gewalt durchgesetzt werden ABER so ein überraschender Wintersturm im Mai, so von Windböen gepeitscht und völlig durchnässt zu Hause anzukommen um 10 Minuten später wieder in der Abendsonne auf dem Balkon zu stehen, als wäre nichts gewesen, das hat doch was.

Zweite erschreckend schöne Weltverdrehungsleistung zur Bewahrung der Rotationsachsen, Stabilisierung der Horizonte und Sicherung des Fundaments.

Natürlich ist das kein Zufall. Keine Wolke und kein Tropfen.

04.05.2021

Unverschickte Links (Workshop), ungeschenkte Dinge (Rasendünger), ungezeigte Bilder (Amsel) und ungeschriebene Briefe, immer wieder im ersten Entwurf abgebrochen. Prasselnder Regen und doch stehe ich von der Abendsonne geblendet am Herd.