Monat: Juni 2021

23.06.2021

Statt loszufahren flicke ich das Loch im Schlauch und schaffe es bis zum überübernächsten Dorf um einzukaufen. Lesen, schlafen, starren, aufschreiben und wieder schlafen. In der Stille, in den Wiesen begegnet mir überall L.

22.06.2021

Willkommen in Groß Fredenwalde. Die Gastgeberin und ich reden immer leiser, wie um nicht die Idylle zu stören. Hier das Zimmer im denkmalgeschützten Eselstall, das ist der Hund, da hinten die Schafe, von hier kann man den Fuchs und die Kraniche beobachten, die haben zwei Junge dieses Jahr, die Wolle um die Beete soll die Schnecken fernhalten, dort nisten die Schwalben, den Mauerseglern in die Wand nicht hoch genug für die ersten Sturzflüge ihrer Jungen, die Rosen haben unter der Hitze gelitten, aber jetzt steht sie in voller Blüte, die Linde seit gestern, darum das laute Summen im Hof.

21.06.2021

Die einen interessieren sich eher für den selben Urgrund zweier Phänomene, die anderen dafür, dass bei zwei Phänomenen auch zwei unterschiedliche Gedichte herauskommen. Beide interessieren sich für den Leib, der das tragen muss, beide für das Geheimnis, die Magie, aber die Methode, am Ende führen wir doch wieder Methodendebatten, wenn es doch nur nicht so warm wäre.

F. regt sich manchmal darüber auf, dass mir egal ist, ob ein Internetvideo gestellt ist. Aber woran entscheidest du dann, ob es seltsam oder lustig ist?, fragt er dann. Na gar nicht. Wenn die Performance stimmig ist, wenn ich einen swipe lang unterhalten bin, was kümmert mich dann Wahrhaftigkeit. Die Frage stellt sich mir nicht. Sobald sich jemand entscheidet, ein Video zu machen, ist es ein Handeln im Wissen der Beobachtung; ich kann nach Authentizitätseffekten fragen, aber nur wenn sie im Dienst des Affekts stehen, spielen die eine Rolle und der Rest der Welt ist eh CGI.

20.06.2021

Ich war noch nie beim Hot Yoga, aber so muss es sich anfühlen. Nach der Videostunde wringe ich die Matte aus und wische die Dielen, damit kein Aromaholz daraus wird. In einer Stunde am See?, fragt das Handy und warum eigentlich nicht, ich darf nur nicht vergessen zu essen und zumindest für die Begrüßung noch mal zu duschen und das Mückenspray auch nicht und Wasser und etwas zu schreiben, falls sich eine schöne Stille ergibt.

Hilfe, haltet an, sagt ein junger Mann auf halber Strecke zur S-Bahn am Rand des Waldwegs, er habe alles verloren, vor allem die Schuhe und seine Füße täten so weh, das Laufen sei unmöglich, aber wenn wir ihm ein Fahrrad ausleihen würden, dann würde er damit zur S-Bahn und es da abstellen, Ehrenwort, gar keine Frage, außer dem Vertrauen bliebe ja nichts mehr in der Welt und ihm könne man ja trauen, das hätte ja auch nichts damit zu tun, dass er glaube, Jesus zu sein, und da flucht er laut, verdammt, das hätte er nicht sagen sollen, und da hat er recht.

19.06.2021

„Alle meine Pferde ringen um die Nacht. Kein Pferd ringt allein, denn alle meine Pferde ringen um die Nacht. Wenn mich etwas rühren könnte, dann das, Ich sehe eine Herde. Kurz darauf stellte sich heraus, dass in diesem Hoddis-Zitat gar nicht von Pferden die Reden war. Nein, es ging um Pfade. Pfade?, fragt Veronika. Auch gut. Da höre ich dann die nächtlichen Diskursschleifen – da herauszukommen und denn noch weiterzureden. Alle meine Pferde, alle meine Pfade.“  – Monika Rinck: Ah, das Love-Ding

Ich sitze müde in Boxershortsbriefs im Schaukelstuhl auf dem Balkon, schaukele warte auf den Regen und versuche das Zitat aus dem Buch zu verstehen, das ich schon nach dem ersten Kapitel in den Schrank hätte stellen sollen, weil mir für so aufmerksames Lesen zurzeit die Aufmerksamkeit fehlt. Aber ich lese es doch weiter, weil es ein Geschenk war und weil das Thema wichtig und drängend scheint, also nehme ich es doch immer wieder in die Hand, aber ich lasse eher das Auge über die Essays gleiten, als das ich den Text durch mich durchschleife.

Es donnert und blitzt bereits, aber der Regen lässt auf sich warten. Warum eigentlich schon wieder Pferde? Lässt sich da eine Symbolik konstruieren?

Der Regen lässt auf sich warten. Ach, wenn ich nur auch so einen schönen Lesesessel hätte, dann würde ich bestimmt viel mehr Lesen, denke ich, aber sowas glaube ich selbst bei über 30 Grad nur kurz ernsthaft.

Als das tröpfeln endlich Ernst macht, kommen nach und nach die anderen Unterwäschemänner auf den Balkon und wir patschen mit den Füßen im Wasser und Nachbarn winken sich freudig triefend von den Balkons zu, die sich sonst im Hof nie grüßen würden.

18.06.2021

„So cool wie Crème brûlée on the rocks. Das Doppel-N steht für NICHT NUR. Früher hat sie gedacht, behauptet, großgetan, aber jetzt ist sie das Jetzt mit Extra-Glanz für besinnliche Stunden auf der Autobahn bei immer 1 km/h mehr als du.“ – JENNY [Literaturmagazin] 06/20212018

17.06.2021

Es ist heiß. Sehr heiß. So heiß, dass der jährliche Disput darüber beginnt, ob und wie lange es sich lohnt, die Fenster geschlossen zu halten und wie viel abgestandene Luft auszuhalten sei, um die Temperaturdifferenz zur Außenwelt zu halten.

Ich argumentiere mit wütenden Tweets von Kachelmann, mit Dachgeschoss, mit CO2 und Luftfeuchtigkeit, aber auf dem Bild zum Artikel ist eine Tropenhütte ohne Fenster abgebildet und das ist natürlich kein Argument, in Spanien werde ja auch die Kühle im Hausinneren gehalten, die Quelle ist also unbrauchbar, müsse man selber testen, sei interessant, aber gefühlt würde es ja schon einen Unterschied machen.

Beim Mittagessen schüttet F. dann Wasser auf die heißen Holzimitate unter unseren Füßen. Verdunstungskälte. Der andere F. wirft ein, dass damit ja die Luftfeuchtigkeit unter dem Sonnensegel steige und es sich eher wärmer anfühlen könnte, aber wir überstimmen ihn. Der psychologische Effekt nasser Füße gewinnt.