Monat: März 2023

17.03.2023

Als ich ankomme, sitzt F. schon an einem Tisch neben dem Café und ist in sein Handy vertieft. Als ich mein Fahrrad abschließe, blickt er kurz auf, sagt „Einen Moment!“ und wedelt mit seinem Gerät, also setze mich dazu und zücke meins.

Weil es darin nichts wichtiges zu entdecken gibt, beobachte ich abwechselnd F., die Marketingstudentinnen am Nebentisch und den Mann im Café, der damit zu hadern scheint, ob er uns zum Verschwinden oder Bestellen auffordern soll. Etwa zehn Minuten verstreichen, in denen F. immer wieder innehält und überlegt oder „Tja, was antwortet man denn auf sowas.“ murmelt. Dann springt er plötzlich auf, ruft lauft „Hallo! Schön dich zu sehen!“ und wir umarmen uns. Die Frauen am Nebentisch verstummen erschreckt und wir gehen zur Kuchenauslage.

Ich schlage vor, das als gesellschafliche Norm zu etablieren. Für jeden Monat sei dem letzten Treffen wird vor der Begrüßung für eine Minute geschwiegen.

16.03.2023

Da ist es schwierig, nicht in eine Sprache zu verfallen, die ganz leergenuckelt und aufgekitscht ist. Ich könnte natürlich vom Versinken schreiben, vom Augenozean, vom Herzklopfen, vom leicht verschämt beglückten Aufwachen aus dem gemeinsam wachen Traummoment zwischen fremden Menschen. Aber das wäre mir ähnlich unangenehm wie der Blick des Tanzlehrers im Nacken, als die Stunde eigentlich schon vorbei ist und wir noch mal beim ersten Schritt beginnen, nur führt sie dieses Mal und mir fällt auf, dass da niemand mehr zum Verstecken ist. Eigentlich schön.

15.03.2023

Wörtlichkeitsübersättigt
sorge ich mich um Rost im Assoziationsapparat
zu viel Zweckmäßigkeit und Eingängigkeit
maximiert die Performance
aber schadet der Seele
also installiere ich eine neue App
die soll’s richten

14.03.2023

Verantwortung ist wie Staub und sammelt sich in den Ecken, bis kurz bevor der Besuch kommt und jemand schnell durchwischen will und sich den Kopf an der Treppe stößt, flucht und dann wenig später genervt die Drecknester aus dem Feudel pult, der eigentlich auch schon seit Ewigkeiten hätte ausgewechselt werden sollen, aber Verantwortung ist wie Staub und hängt im Feudel und wer den auswringt, muss sich entscheiden, ob er in der Wäsche oder im Müll landet und damit ist dann immer noch kein neuer besorgt.

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13.03.2023

Ich habe zu wenige Hosen. Nein. Ich muss das anders formulieren. Ich habe zu wenige Hosen, die nicht zu eng sind oder mit sehr auffällig geflickt, mit unauswaschbaren Flecken oder die nicht von anderen Spuren ihres Lebens nach dem Second-Hand-Laden gezeichnet sind.

Hemden hingegen habe ich genug. Meistens zwar nicht das passende zum Gefühl oder der Farbe des Tages, geschweige denn zu einer der wenigen verbleibenden Hosen, aber doch völlig ausreichend viele, naja eigentlich zu viele, aber Hosen, das ist eine völlig andere Kategorie von Problem.

Außerdem ist es ein Sprachproblem, denn ich habe gelogen oder zumindest übertrieben. Ich habe Hosen und ich habe Hemden, aber erst hier wird es spannend.

12.03.2023

Beim Kaffee und Kuchen in einer Westberliner Traditionsrösterei lese ich ein Gespräch mit Kammerjäger:innen über Mäuse. Die seien nicht besonders schlau, aber vielleicht genau deshalb auch so hartnäckig zu bekämpfen, ihre Handlungen seien manchmal sehr schwer nachzuvollziehen, mitunter würden sie komplette Pappschachteln aufessen, aber gerade die Köder darin liegenlassen. Ratten würden eindeutig von A nach B laufen, aber die Kurven und Windungen, die Mäuse auf ihren Wegen einschlagen, seien für Menschen nur schwer verständlich.

Im Kino tauchen die Mäuse dann wieder auf, aber als Wald- und nicht als Hausmäuse. Sie wohnen zwischen den Wurzeln der Eiche, die dem Nicht-Dokumentarfilm seinen Namen gibt: Die Eiche. Mein Zuhause, – die Betonung liegt dabei auf dem Zuhause. Der Baum ist eher Kulisse für Actionsequenzen im Laub und in den Ästen. Aber auch diese Mäuse entwischen dem Tod; dem Fuchs, dem Dachs, der Eule, den Wildschweinen und dem Wasser, das nach einem heftigen Sturzregen ihren Unterschlupf flutet. Natürlich. Es ist ein französischer Film. Nichts stirbt, alles verwandelt sich, aber trotzdem fragen wir uns auf dem Heimweg, was das eigentlich für ein spezifischer Geruch ist, der von besonders alten Menschen ausgeht. Und wie viele Filme die alte Dame neben uns in ihrem Leben wohl schon gesehen hat.

11.03.2023

Ich wache früh auf. Nach einem längeren Spaziergang mit Abstecher in den Drogeriemarkt und die Apotheke, nachdem ich Wohnzimmer und Schlafzimmer gesaugt habe, einige Mails beantwortet und Rechnungen bezahlt, den Spiegel gerichtet und das Regal abgestaubt, die Wäsche abgehängt und die Gästematratze neu bezogen, den Kalender kontrolliert und die Einkaufsliste aktualisiert und dabei zwei Feature, einen Vortrag und ein Hörspiel gehört habe, muss ich mich erst mal wieder hinlegen. Offenbar bin ich wohl doch noch nicht wieder gesund. Warum bin ich denn so erschöpft? Es ist doch noch nicht mal Mittag und ich habe heute doch noch gar nichts gemacht!