Jahr: 2023

19.04.2023

Ich bin top ausgestattet unterwegs: Covid-Tests, Laptop, Regenhose, Regencape, Proteinriegel, Kreditkarte, Notizheft und ein Kartenspiel. Aber nass sind die Füße am Ende trotzdem und geweint wird auch. Aber das ist der Weg. Von Pankow nach Wilmersdorf und vom Zusammensitzen zum Zusammensein.

18.04.2023

Wenn ich in Telegram nach meinem Viertel suche, dann schlägt mir die App zuerst öffentliche Kanäle vor. Als ich das erste Mal den größten von ihnen ausgewählt habe, denke ich noch, dass hier vielleicht Dinge verschenkt und Werkzeuge verliehen werden. Share & Care hieß das früher auf Facebook. Stattdessen werden aber Drogen und Falschgeld angeboten. Sehr professionell sogar. Mit verschiedenen Qualitätsstufen, Mengenrabatten, Sonderangeboten und Liefergebühren je nach Tageszeit. Als ich das meiner Mitbewohnerin erzähle, zeigt sie mir ihren Lieblingskanal: „Wo ist Sekt in Berlin im Angebot“ listet jede Woche auf, welche Marke in welchem Supermarkt gerade wie viel kostet. Nicht mehr und nicht weniger.

17.04.2023

Picknick auf dem Zimmerboden.
Manche Gespräche brauchen eben mehr Platz:

Also sollen wir, denn meinst du,
und was ist, wenn,
aber was, wenn nicht?

Naja, da gibt es die existenzielle und die aufregende Angst und der aufregenden lohnt es meisten zu folgen. Der und den Visionen, die zwischendurch schüchtern anklopfen. Der vom Öffnen der Tür und vom Hineinbitten der Gäste.

Ja, die gefallen mir.

16.04.2023

Als ich mich gerade auf den Weg machen will, entdecke ich hinter einem der Flohmarktstände eine Bekannte. Sie verkauft nicht, wie die meisten hier, ihre ungetragenen Kleider, sondern Makramee.

Um nett zu sein, stelle ich ihr Fragen dazu, verliere mich, als sie mich zurückfragt aber für einen Moment vollends in der Sache; ignoriere situationsblind die emotionale Ebene und gehe ganz in den Gedanken über das Design, die Funktion und die Präsentation ihrer Waren auf; vergesse lang genug die Intention, mit der ich das Gespräch eröffnet hatte, um eine unangenehme Gesprächslawine verschlimmbessernder Schadensbegrenzung auszulösen, deren Wucht ich auch noch Stunden später hinter meinen zusammengebissenen Zähnen spüren kann. Einfach nur zu Grüßen hätte vollkommen gereicht.

15.04.2023

Es gehört einige Erfahrung dazu, um im äthiopischen Restaurant elegant das Essen mit den Fingern zum Mund zu führen;

einiges an Erfahrung, um während der mehr als vierstündigen Theateraufführung immer wieder die richtige Haltung zu finden;

einiges an Erfahrung, um die eigene Unzufriedenheit so ins außen zu kehren, dass die Normalitätsbehauptung auch aufrecht gehalten werden kann, wenn die Fragezeichen schon längst im Nieselregen tanzen.

14.04.2023

Tango, Bärlauch, Reifen flicken

13.04.2023

Der Wirt zeigt uns den Keller aber eigentlich inspiziert er uns. Während er auf seinem Handy nach einem Video sucht, mit dem er uns die Anlage vorführen kann, warte ich darauf, dass die Aschelanze seiner Zigarette bricht, aber sie hält auch noch die zwei Werbeclips, bevor das Cover von Stairway to Heaven beginnt. Er behauptet, am Schlagzeug säße der originale Schlagzeuger, aber der kommt mir viel zu jung vor, so alt kann das Video nicht sein und tatsächlich ist es bei diesem Konzert sein Sohn, finde ich später raus, denn John Bonham ist schon 1980 gestorben. Dann sieht man die überlebenden Mitglieder von Led Zeppelin, die gerührt und mit Medaillen um den Hals im Publikum sitzen. Das rührt auch den Wirt und er kündigt immer wieder den Schwarzen an, was uns erst beunruhigt, aber dann schwenkt die Kamera zu Barack Obama und wir sind offenbar ausreichend genug beeindruckt, denn er verspricht mich am nächsten Tag anzurufen und den Termin zu bestätigen.