Jahr: 2023

12.04.2024

Massenvernichtungswaffen
Katastrophenalarm
Power Pilates

Oft steckt der Hinweis schon im Namen.

Ich stecke mir die Packung Turkish Delight in den Mantel wie einen diskreten Umschlag mit Bestechungsgeld oder wie die Bibel an der Brust, die im Western den Helden vor der tödlichen Kugel rettet. Die anderen sehen in der Beule ein Kleinkind, das ich vor dem Regen schütze. Zuckersüß.

11.04.2023

Prasselnder Frühlingsregen auf Asphalt bei vollem Sonnenschein. Mit klitschnasser Hose auf dem Fahrrad abstrampeln, einmal quer durch Wetter und Milieus, durch Reis und Curry schaufeln, bis zum Tellergrund und dann dem Tag auf den Zahn fühlen. Morgen muss ich zur Kontrolle, nicht vergessen. Ich verstecke dem Arzt ein kurzes Koriandergedicht zwischen den Backenzähnen.

10.04.2023

Am Ende meiner Aufzählung von Zerstreuungen und Unzufriedenheiten steht, dass ich heute noch nichts geschrieben habe, obwohl ich ja mehrere Tage im Verzug bin und da ja auch noch ganz andere, ebenfalls selbstauferlegte Projekte lauern. Sachen, die mir besonders wichtig sind, und bei denen ich es gerade deshalb jede Woche aufs neue nicht schaffe weiterzumachen, was mal so vielversprechend begonnen hatte. Ich erzähle auch, wie sehr es mich stört, dass überhaupt etwas lauert, wenn es um Schreiben geht. Wieso ungeschriebenes überhaupt lauern kann. Warum ich plötzlich derjenige bin, der sich nicht ans Wasserloch traut, wobei ich doch mit der festen Intention aufgestanden bin, heute selber Jäger zu sein. Steht doch so im Kalender. Ostermontag: Großjagd.

Aber wie ich das bei Sonnenuntergang unentschlossen auf dem Bürgersteig stehend in den Chat tippe, merke ich, wie gut es tut, das aufzuschreiben und wie ich in meinem Versteck ausharrend schon längst damit begonnen habe, die Pilze und Beeren im Unterholz aufzusammeln. Natürlich. Es ist nie zu spät, den Tag zärtlich an die Hand zu nehmen. Nur bleibt dann halt manchmal nicht mehr viel Tag übrig.

09.04.2023

Osterausflug nach Zehlendorf. Hübsch.
Wenn da nicht die Zehlendorfer wären.

Auf den Immobilienportalen sind 2/3 der Anzeigen für Tauschwohnungen, also als Angebote getarnte Gesuche. Ich biete Moabit zum Tausch an.
Alle kommen einfach mit.

08.04.2023

Nur noch schnell Einkaufen und einen Kuchen backen und dann in den Wellnessthemenpark:

Entspannungsphase 1: Während der Klangmeditation wird es in meinem Kopf ruhig oder zumindest gleichmäßig laut genug, um keine einzelnen Gedanken mehr erkennen zu können. Der Körper leistet dafür Widerstand und versteift.

Entspannungsphase 2: Nach dem dritten oder vierten Aufguss lassen die Muskeln endlich langsam los, aber dann auch bis knapp vor die Ohnmacht. Wohldosierte Weltuntergangsgedanken sollen die Restspannung aufrecht halten. Jeden Moment könnte alles entgleiten, aber wenigstens liege ich dann warm eingepackt auf einer Sonnenliege.

Entspannungsphase 3: Ich vergleiche meinen Bademantel nicht mehr mit dem der anderen Gäste. Satt, warm und müde wird die langsam schlurfende Gleichgültigkeit mächtiger als der Gedanke an die Rechnung. Genau dafür habe ich bezahlt.

Entspannungsphase 4: Schlimme Dad Jokes.

07.04.2023

Unschönes Ende, schlecht gelaufen, ja da kann man nix machen, ist halt so, tja, Schicksal, sollte wohl nicht sein, steckste nicht drin, irgendwie Pech auch, ergab sich so, da jetzt ein Fass aufzumachen bringt ja auch nichts, nächstes Mal, aber lieber nicht, besser Schritt für Schritt, nur keine vorschnellen Entscheidungen, war jetzt ja auch nicht so schlimm, rational betrachtet sowieso unvorstellbar, da muss man auch realistisch bleiben, Gefühle sind das eine, aber wo kommen wir denn hin, also wenn wir jetzt anfangen würden, du verstehst, undenkbar, also schon denkbar, aber halt auch anstrengend und so ist ja jetzt auch nicht schlecht, wird sich schon ausgehen, da mache ich mir keine Sorgen, hat es ja immer, warum nicht auch jetzt, einfach weitermachen, also nicht einfach, aber schon voran, nicht alles zerreden, hilft ja nix, also weiß ich nicht, glaub nicht, aber was machst du denn jetzt sonst noch die Feiertage?

06.04.2023

Ich verpasse den Moment, um der Apothekerin zu sagen, dass es nicht um mich geht.

„Haben Sie denn Schmerzen beim Schlucken? Also soll es etwas Betäubendes sein?“

Jetzt sind meine schauspielerischen Fähigkeiten gefragt. Ich muss die Halsschmerzen wirklich fühlen.

„Es ist eher ein Kratzen. Also vielleicht nichts Betäubendes?“

Ich hoffe, das stimmt. Meine Verlegenheit scheint die Apothekerin als Leidensdruck zu interpretieren. Als sie mir nach ausführlichen Erklärungen zur Einnahme und zu den aktuellen Erkrankungswellen eine gute Besserung wünscht, kommt es mir so vor, als würde es wirklich vom Herzen zu kommen. Vielleicht macht sie ihren Job aber auch einfach nur sehr gut. Auf jeden Fall bin ich kurz davor, ihr meinen emotionalen Betrug zu gestehen, aber gehe dann doch schnell; noch mit dem Wechselgeld in der einen Hand und dem schlechten Gewissen in der anderen.