Nach dem späten Frühstück, vielleicht war es auch ein frühes Mittagessen, zurück ins Bett gehen. Socken noch mal ausziehen und schnell unter die Doppeldecke, bevor der kalte Boden die Beine hochkriecht.
Jahr: 2023
14.01.2023
Die werdende Mutter strahlt, wenn sie erzählt, wie das Strahlen des werdenden Vaters bereits zu Beschwerden aus dem ganzen Viertel geführt hat. Nicht nur wegen Schlaflosigkeit durch das gleißende Licht, sondern auch von Tierschützern, die wegen der Lichtverschmutzung mehrere Fledermausarten und den Tag-Nacht-Zyklus der Vögel in den umliegenden Parks gefährdet sehen. Ein Vertreter des Bundesamts für Strahlenschutz wäre auch schon da gewesen, um sicherzustellen, dass es sich um ein Glücksereignis mit ungefährlicher Halbwertszeit handle. Jaja, sage ich und glimme selber.
13.01.2023
Schlange stehen im Rathaus. Ich erkläre einem nervösen älteren Mann mehrmals, welcher Zettel in welchen Umschlag muss, strahle aber auch selber nicht gerade Geistesgegenwart aus:
„Zum hier wählen oder zum Mitnehmen?“
„Zum hier wählen.“
„Dann kriege ich einmal den Ausweis und die Wahlbenachrichtigung.“
„Mit Karte bitte.“
„Was?“
„Äh… hier, bitte.“
12.01.2023
Auf irgendeinem Streamingdienst gibt es jetzt irgendeine neue Serie, höre ich. Ich weiß nicht mehr auf welchem oder wie sie heißt, aber ich habe die Übersicht darüber eh verloren, genau wie über meine Passwörter und lasse sie deshalb genauso von einem Programm für mich verwalten und sortieren. Das Programm schaut die Serien auch für mich und schreibt mir kleine Meinungen dazu, die auf meinen bisherigen Bewertungen basieren und die ich in Gespräche einfließen lassen kann. Ja, die Storyline mit dem Mord hätte es für die Geschichte eigentlich echt nicht gebraut. Sowas. Früher habe ich das Programm auch Zusammenfassungen der Serien schreiben lassen, die ich dann auswendig gelernt habe, aber dann habe ich gemerkt, dass die Meinungen völlig ausreichen. Für mehr ist im Gespräch eh keine Zeit, dann geht es schon um die nächste.
11.01.2023
Manchmal fühlt sich die Gruppentherapie wie eine Folge GZSZ an. Gleichzeitig ermüdend und so aufregend, dass ich kaum stillsitzen kann.
Und dann hat sie sich bei mir gemeldet und dann habe ich sie blockiert und dann hat sie aber von einem Handy ihrer Freundin angerufen und dann habe ich schon verstanden, was sie zu sagen hatte und war auch dankbar für die Entschuldigung aber jetzt weiß ich nicht so genau wie ich damit umgehen soll, weil sie ja die ganze Zeit davor auch nicht meine Grenzen respektiert hat und zwischen Weihnachten und Silvester gab es ja auch noch sieben so ähnliche Situationen, von denen ich noch gar nicht erzählt habe, denn bei dem einen mal da war ich dann zufällig in der Gegend von ihr, und dann haben wir uns zufällig getroffen und da habe ich dann auch nochmal gesagt, dass…
Aber dann beschließen wir zum ersten Mal die Masken abzunehmen, alle probieren vorsichtig in der Runde ihrer Gesichter aus und das Schweigen klingt ganz anders als zuvor.
10.01.2023
Mein erster Besuch in einem Fitnessstudio. Nur für das Schwimmbecken und die Sauna, aber trotzdem ein Schritt ins Unbekannte. John Roderick unterscheidet in einer Episode seines Podcasts mit Merlin Mann das Leben in drei Zonen, die Comfort Zone, die Challenge Zone und die Danger Zone. Seine anekdotische These: Während der Pandemie haben es sich viele Menschen so sehr in der Comfort Zone bequem gemacht, dass ihnen die Challenge Zone jetzt oft wie die Danger Zone erscheint. Dabei sei die Challenge Zone der eigentliche Ausgangspunkt und Nährboden der menschlichen Erfahrung. Ausflüge, längere Aufenthalte und selbst der Traum das ganze Leben in einer anderen Zone zu verbringen wären zwar wichtig und richtig, aber würden längerfristig zu irgendwas zwischen den Menschen in Wall-E und dem Untergang der Zivilisation führen. An mir soll es nicht liegen. Ich stelle mich der Umkleidekabine, dem Kraftgrunzen und dem Schweiß. Herzklopfen kurz vor der Danger Zone.
09.01.2023
Ich bin jetzt auch Mitglied in einem Klub. Für ein Jahr und ohne Bewährung. Ein Klub, der sich nur rechnet, wenn ich ihn zweimal die Woche nutze. Das ist sportlich, aber darum geht es bei diesem Klub nicht, sondern um die Freiheit, die Auswahl, die vielen Möglichkeiten (außer in Moabit und Tiergarten) und die stolze Brust, mit der ich am Eingang den QR-Code scanne und mich damit als Teil der Mittelschicht wähne – zumindest in der Preistabelle.