Monat: Mai 2021

31.05.2021

Leipzig: „Bisschen Öko. Bisschen egal.“

Jongleure und Schmuckbastler in den Parks und auf den Brücken, aber die echten Südamerikaner fahren Einkaufslieferungen aus (10 Minuten! Garantiert!). Als ich etwas Zeit rumbringen muss, gehe ich erst eine Straße entlang, die auch in Berlin sein könnte, also drehe ich wieder in die Wohnviertel ab. Zwischen zwei Villen stehen alte Garagen vor denen tätowierte Männer Bier zwischen Autos trinken, die eher aus Versehen Oldtimer geworden sind. Ich finde einen kleinen Park und setze mich erschöpft auf eine Bank. Auch diese Wiese ist voller Mid-Twenties, die Akrobatikspiele spielen. Auf die Bank neben mich setzt sich ein Mann, der Heroin, und noch viel nervenzehrender, einen Monolog über seinen Führer auspackt.

Auch hier muss es ja zarte Seelen geben, die veröffentlichen ja auch die ganzen Literaturmagazine, die aus Leipzig kommen, aber die haben wohl irgendeine Strategie mit der Stadt klarzukommen.

„Bin ich auch rough?“, fragt T.
Naja.

30.05.2021

  1. Sie verlässt die Wohnung, bevor irgendjemand aufsteht, lässt nichts zurück, das man noch irgendwann abholen müsste, wenn sie zurück in die Stadt kommt, nicht mal eine ihrer vielen Pflanzen für mich, um die ich mich so oft gekümmert habe, schreibt noch die Kontonummer für die Kaution in die Gruppe, das sie ohne Schraubenzieher, die eine Lampe leider nicht mehr dran montieren konnte und dann verlässt sie den Chat. So viel Kuchen können wir gar nicht essen, wie das wehtut.
  2. Dehn- und Tanzübungen im Park nach Anleitungen eines Trainers in Australien. Vielleicht will ich aber auch nur die neue Sonnenbrille ausführen. Als ich erschöpft und verschwitzt im Gras liege, bekomme ich einen Anruf.
  3. „Hallo, ich bin geistesabwesend in den falschen Zugteil gestiegen, aber in Bitterfeld kann ich noch mal umsteigen, oder?“, sage ich ungeduscht zum Schaffner auf dem Weg nach Leipzig (gerade noch Frankfurt), weil T. gefragt hat, ob ich vorbeikommen kann und von wo ich meine Mails schreibe, ist ja egal. Nur zur Impfung am Dienstag will ich zurück sein.

29.05.2021

Ein ganzer Tag im Stadion, aber niemand darf den Rasen betreten, denn der ist frisch gedüngt und hochgiftig, sagt der Platzwart. Die Farbe passt aber nicht die Werte. Es gibt sogar Fanblöcke auf der Tribüne, aber die grölen weniger, sondern tuscheln eher, nur manchmal hebt jemand die Stimme echauffiert sich darüber, dass ein Großteil des alten Kaders nicht wieder aufgestellt wurden. Na gut, die grüne Jugend, die grölt.

28.05.2021

Erst mache ich ein Rhabarber-Curry (experimentell) und nach dem Essen backe ich auch noch einen Rhabarber-Käsekuchen (klassisch), denn das Zeug muss ja weg, und nur wenn ich es am Ende der Saison Leid bin, trauere ich ihm nicht nach, außerdem wartet dann ein Kuchen auf mich, wenn ich Morgen Abend nach Hause komme und die Ruhe- und Backzeiten geben dem Abend zusätzlich auch noch eine willkommene Lektürestruktur zum Runterkommen ohne YouTube und TikTok, aber wem erzähle ich das, so ein Kuchen brauch keine Ausrede und keine Begründung, der steht da und duftet und ist für sich selber und für mich an seinem Platz in der Welt.

27.05.2021

Das kommt davon, wenn ich früh ins Bett gehe, das Handy auf dem Schreibtisch liegen lasse, lese und dem Wecker und mir eine Stunde vergebe: Ich träume

von Ägypten bei Nacht, ein Camp von Umweltaktivisten, die sich in mir irren, es war nur das günstigste Ticket und ich habe keine Unterkunft für die Nacht. Eine Wanderung, eine Frau ohne Gesicht, Küsse, Lärm in der Ferne und die Frage nach dem Rückflug und wie es dann weitergehen soll.

26.05.2021

Ich hole ein Paket aus einem dieser Läden ab, wo man es sich selber in einem großen Berg suchen muss und niemand deinen Ausweis sehen will. In dem Paket sind drei Literaturzeitschriften, die ich mir bestellt hatte, um mal wieder Lesestoff zu haben, der mehr sein will als #Tagebuchbloggen, aber ohne gleich Romanansprüche zu haben. Ich wollte etwas nachahmbares und mutmachendes für das eigene Schreiben lesen und Inspiration und vielleicht auch experimentelle Formen, die ich im Zweifelsfall wieder wegblättern kann und die nicht permanent als Hardcover Mahnmal im Regal an ihren Preis erinnern. Also fragte ich M. und sie gab mir eine Liste und ich meine Kreditkarte.

Die Zeitschriften nehme ich mit an die Spree und blättere in der Sonne darin herum, was auch mit ungewaschenen Haaren sehr gebildet und sexy aussehen muss, aber entweder ist alles lauter als sonst, oder ich bin leiser geworden.

Nach dem Abendessen lasse ich mir ein Bad ein und Spotify schlägt mir die Playlist „Songs to Cry to in the Bathtub“ vor, aber auch das ist zu laut und ich habe ja schon einen Badezusatz. Das Handtuch zum Abtrocknen lege ich auf die Heizung und das andere auf den Beckenrand, damit ich mir den Schweiß vom Gesicht tupfen kann und nicht mit feuchten Fingern umblättern muss.

25.05.2021

Der Traum wiederholt sich, aber beim zweiten Mal komme ich nicht rechtzeitig in das Zimmer, weil im Flur gesungen wird. Erst harmonisch, aber als immer mehr Leute aus dem Krankenhaus dazukommen, wird es bemüht, laut und peinlich. Als ich es dann doch in das Zimmer schaffe, steigen zwei Männer mit dem Kind gerade aus dem Fenster. Im ersten Traum war nur von einem Mann die Rede, denke ich da und schaue machtlos zu. Am Telefon sagt mir der Polizist mit Schnurrbart und meiner Stimme lachend, das man da wohl nichts machen könne, ich wisse zwar den Namen des Kindes, der Entführer, des Viertels, in das sie geflüchtet sind, und den der Mutter, die aufgelöst vor mir sitzt, aber ich könne keinen dieser Namen aussprechen, Pech gehabt, so sei das manchmal.