Monat: Juni 2022

23.06.2022

Reisetag. Weil der Check-in im Airbnb erst am 16 Uhr möglich ist, bleibt noch Zeit für einen Bubble Tea in der Altstadt von Waren (Müritz). Da bin ich schon entspannt und glücklich und deshalb auf dem Fahrradweg durch den Wald, bei der Ankunft in der Hütte und später am See jedes mal wieder aufs Neue überrascht, dass in dem Gefühl noch eine Steigerung drin ist.

Unsere Unterkunft ist eigentlich ein bisschen über meinem Budget, aber quasi perfekt für das, was wir hier vorhaben: Essen, Lesen, Baden und Sex. Außerdem ist Bachmannpreis und das WLAN scheint stabil. Die Tourenräder sind unser Alibi auf dem Weg zum Supermarkt oder beim Wechseln der Badestellen.

Wer hier an der Seenplatte wirklich Geld hat, der hat auch einen eigenen Seezugang. Das wirkt als Wohlstandsziel nicht völlig unerreichbar, könnte aber auch naiv von mir sein. Doch auch in ein paar hundert Meter Entfernung zum Wasser muss ich noch einen Bannkreis aus Mückenkerzen um den Tisch ziehen.

Das erinnert mich an einen Artikel über Vertreter eines afrikanischen Stammes, die sich darüber beschwert hatten, dass Forscher in ihren Krankenhäusern schon seit Jahrzehnten nach einer Impfung gegen Malaria suchen würden, die COVID Impfungen aber seltsamerweise schon nach einem Jahr auf dem Markt waren. Juckend und kratzend sind wir eben doch nicht alle gleich und ich frage mich, wer im Artikel wirklich bis zu Einordnung gescrollt hat, warum sich ein Virus und eine Infektion nicht so einfach vergleichen lassen.

22.06.2022

Selbst die Tiere im inneren Team haben Identitätsprobleme und verstecken sich zwischen Klammern auf dem Flipchart. Geschlecht, Gattung, es ist aber auch nicht so einfach mit diesen Zuschreibungen. Und wie soll ich denn authentisch dem Seepferdchen nachspüren, wenn ich gar nichts über dessen Sozialverhalten weiß? Das endet doch alles im Anthropomorphismus und -ismen gelten im Self-Marketing als Risikofaktoren. Sprechen wir lieber von der Autonomie der inneren Lichtung und beobachten ohne Bewertung, wer da kommt und geht und was wächst. (Pilze und Moose.)

21.06.2022

Fete de la Musiqe: Endlich wieder klassenkonform gemeinsam mit den anderen auf der Straße rumstehen, die liebevoll von „ihrem Falafelmann“ sprechen und ein genauso zwiegespalten-optimistisches Verhältnis zu den neuen Galerien und Cafés im Viertel haben wie ich. Auf dem Weg zwischen den Bühnen bauen junge Paare nach der Arbeit ihre Bullis aus. Die nennt man heute eigentlich Vans, aber im Plural muss ich immer an die Schuhe denken.

Ein Mann winkt mit einem unsichtbaren Feuerzeug in der Hand entgegen. Ich schüttle den Kopf und er lacht: „Niemand raucht mehr in dieser Stadt, du bist schon der zehnte!“ Da hat er recht und trotzdem ist die Stimmung super. Diese Abende entschädigen für das halbe Jahr Winter und länger als heute werden sie auch nicht mehr. Im Himmel brennt ein Sonnenwendefeuer. Sind die Waldbrände in Brandenburg mittlerweile eigentlich wieder unter Kontrolle?

20.06.2022

Er brauchte länger als zehn Minuten, tauschte aber nicht nur den Schlauch des Vorderreifens aus, sondern reparierte auch das Rücklicht und zog die Bremsen nach. Dafür musste er vier- oder fünfmal wieder die Treppen hinauf, um anderes Werkzeug zu holen, dass er teilweise vorsorglich nach dem vermeintlichen Ende einer Aufgabe schon wieder mit in den vierten Stock genommen hatte.

In einem Paralleluniversum war er nicht den Weg des geringsten Nachdenkens gegangen, hatte auch nur das Ventil und nicht den Schlauch gewechselt und gleich alle üblichen Werkzeuge mit in den Hof genommen. In diesem Universum hatte der Regen aber noch nicht aufgehört und die Seife war alle, als er sich später völlig durchnässt die Hände waschen wollte. Sein Frust war stiller und schneller wieder vorbei, aber die Flecken auf dem Hemd bekam er nicht mehr weg.

19.06.2022

Zu Besuch bei den Methodisten. Vor dem Prediger gibt es ein Warm-Up mit Crowdwork. Alle mal Aufstehen und rundherum Hallo sagen und jetzt nur Winken, wer heute zum ersten Mal da ist. Schrecklich. Viel zu interaktiv. Ich bin doch zum Beobachten (der Beobachter) mitgekommen.

J irritieren die Fische und das Netz an der Wand. „Wieder einer ins Netz gegangen oder was?“ Ich versuche ihr das mit Petrus, den Menschenfischern und der Verfolgung im römischen Reich zu erklären, aber je länger ich rede, desto überzeugender finde ich ihre Interpretation.

Für eine Fischzucht ist das Taufbecken auf jeden Fall nicht geeignet. Es sieht irgendwie medizinisch aus. Ein bisschen, als würde es nach dem Gottesdienst auch für therapeutische Anwendungen genutzt werde; gerade groß und tief genug, dass eine Person darin Wassergymnastik machen kann.

Alle Kandidaten bestehen ihre Tauchprüfung. Dann gibt es Kartoffelsalat und vier verschiedene Sorten Bratwurst.

18.06.2022

Hitzefrei. Ich beginne den Tag damit, dass ich roten Tee, schwarzen Tee und entkoffeinierten Kaffee koche und stelle alles kalt. Dann lege ich in einer Plastiktüte im Eisfach einen Eiswürfelvorrat an, fülle die Formen wieder auf und stelle mir einen Wecker für die nächste Ladung. Schließlich zähle ich noch mal die Zitrusfrüchte durch und kontrolliere den Wasserstand des Vogelbeckens. Dann setze ich mich in den Schatten und bleibe bis zum Sonnenuntergang da sitzen.

17.06.2022

Über der Tür steht „Getränkemarkt“ und tatsächlich finden sich ganz hinten im Laden auch ein paar staubige Kästen Bier, vor allem gibt es hier aber Pakete und Päckchen, in hohen Regalen und Boxen gestapelt, auf denen die Straßennamen stehen. Ich finde die richtige Box unangenehm früher als die Mitarbeiter, aber sage nichts. An der Plexiglasscheibe vor der Kasse hängt ein Zettel auf dem „AUSWEIS VORZEIGEN“ steht, aber der gelbe Zettel aus dem Briefkasten gilt hier als Ausweisdokument.