Monat: Februar 2019

14.02.2019

Ich schau auf YouTube Age of Emires 2 Profis zu und beginne zu verstehen, warum ich Fußball so langweilig finde. Es reicht eben nicht ein Spiel zu verstehen, um auch beim Zuschauen daran Spaß zu haben. Es muss im emotionalen und im Körpergedächtnis verankert sein. Mir muss vorgeführt werden, was ich nie erreichen konnte, nicht das, was ich nie erreichen wollte.

13.02.2019

Impftermin. Mein Arzt wird im Wartezimmer sehr laut, weil er es nicht rechtzeitig geschafft hat, irgendein Papier für eine andere Patientin fertigzumachen und sie jetzt auf einen anderen Tag vertrösten muss. Er rechtfertigt sich aufgebracht mit Beschuldigungen gegen irgendwelche Bürokraten, die ihm den Schlaf rauben und außerdem sei er völlig überarbeitet, andere Praxen würden ja Patienten abweisen. Im Behandlungszimmer erzählt er mir dann von einem Valium Abhängigen, der am vorherigen Tag bei ihm war und das die Situation bedrohlich war, aber nicht wie die Begegnung ausging. Darf er mir sowas überhaupt erzählen? Und welche Drogen nimmt er wohl? Verursachen Aufputschmittel husten? Und überhaupt. Sollte man als Arzt nicht wissen, dass es manchmal eine längere Pause braucht, um sich auszukurieren? Hustende Ärzte sind doch auch nicht vertrauenerweckend. Aber solange er beim Setzen der Spritze nicht zittert, muss man dafür wenigstens nicht lang warten.

12.02.2019

Ich bin zum Ende dieser Vorlesungszeit nicht ganz so erschöpft wie in früheren Semestern, aber statt Erleichterung oder Stolz taucht da plötzlich dieses Schamgefühl auf, als hätte ich mich nicht genug angestrengt, nicht genug bemüht, als gäbe es Absolution nur im Tausch für den Zusammenbruch.

Man könnte jetzt natürlich auf die tief eingeschriebenen und absurden Leistungsanforderungen an das Individuum im Selbsvermarktungskapitalismus zwischen Leiberfahrung und Medienrealität verweisen, aber das fühlt sich natürlich genau so faul an. Geschickt.

11.02.2019

Zu allen Seiten der großen Kreuzung am Potsdamer Platz strömt unaufhörlich der Verkehr, grölende Motoren ermahnen, hier nicht tief durchzuatmen. Busse spucken unentwegt Touristen aus, wie magnetisch angezogen flitzen sie mit der Kamera im Anschlag zu den sechs fein drapierten Mauersteinen und beginnen die Jagd auf ein gutes Bild. Überall wild fuchtelnde Hände, die Instruktionen zur perfekten Positionierung geben. Nur mit Geschick und Ausdauer gerät kein Unbefugter in das Motiv. Grüne und rote Phasen dirigieren die hetzenden Menschenmassen über das Herrschaftsgebiet der Autos. Sobald sie auf sicherem Fußgängerterrain angekommen sind, laufen sie unkoordiniert kreuz und quer über den weitläufigen Platz. Der Blick in den Himmel verfängt sich in den aufblitzenden Glasfassaden. Wir erblicken das DB-Logo am obersten Zipfel, orientieren uns in diese Richtung und gehen am gewaltigen Sony Center entlang die Potsdamer Straße hinunter. An der nächsten Kreuzung weitet sich die Straßenschlucht zum Tal. Vor uns liegt eine unaufgeregte Ebene aus Grünstreifen, Baustellen und Parkplätzen. Darin ruht die St. Matthäus Kirche. Sie ist von Dienstag bis Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet. Die unerwartete Weite zwischen den Architekturgiganten am herangerückten Horizont lässt den Weg zu ihrem Eingang länger erscheinen als er tatsächlich ist. Wir schlüpfen durch die Glastür links vom großen Portal. Im kleinen Vorraum stapeln sich auf einem Schreibtisch Broschüren und Prospekte. Das Kirchenschiff selbst ist weiß und lichtdurchflutet. Auch im Winter ist es hier warm. Nach dem Krieg wurde nur die Fassade historisch rekonstruiert, der Innenraum ist weiß und schlicht gestaltet, aber ohne einzuschüchtern. Anstelle eines Kreuzes hängt über dem Altar ein zeitgenössisches Gemälde. An den Wänden und selbst auf den Emporen hängen große Bilder. Dazwischen vereinzelt Skulpturen. Wir schlendern zum Altar. Plötzlich bemerken wir den Klang unserer Schritte auf dem Steinboden. Dann die weichen Polster der Bänke und Stühle. Wir setzen uns und verharren. Der Raum gibt sich als Ort der Andacht zu erkennen, ohne auf seine Religiosität zu beharren. Wer hier nach Stille sucht, braucht sich nicht zu rechtfertigen.

stillesberlin.de

10.02.2019

Das Schnurren der Katze beim Putzen der Fenster, das Gedicht von Brecht mit dem ausgetauschten Geschlecht, der indische Eintopf unter den Soßen und Dips, der große Schwindel zwischen den Tabs, eine leere Packung Schokolade, eine leere Packung Haribo, mit dem leuchtenden, ausgeschalteten Laptop vor der Nase auf dem Bett liegend, den Augen im Hinterkopf des Weckers ausgeliefert, nicht hilflos, sondern weil es viel einfacher ist, als dem Rhythmus zu widerstehen und stillzuhalten.

09.02.2019

Nach der Party kommt der Kater.

Das gilt auch für Intimität. Wenn es abwechselnd brennt und schmerzt vor Nähe, vor Angst und vor Glück, wie kann dann der Morgen danach etwas anderes als grau sein? Nur Pillen lassen sich nachwerfen. Das ist Schade und unser größtes Glück. Wer nicht sich nicht verzehren will, muss immer wieder aufs Neue entbrennen können.

08.02.2019

Durch das Bloggen ist mir das Geschichtenschreiben abhandengekommen. Was bleibt, sind Klappentexte:

Berlin ist voller Attraktionen, die von über 13 Millionen Menschen jedes Jahr besucht werden. An diesen zumeist lauten Orten haben wir uns auf die Suche nach leisen Geheimplätzen begeben und sie in diesem Bändchen zusammengetragen. Dieser besondere Berlin-Guide ist eine Bereicherung für all jene, die ihren Besuch durch die Stadt führen und sich dabei von Orten der unerwarteten Stille überraschen lassen wollen, oder die schon vorher nach wohltuenden Oasen zwischen den Programmpunkten suchen.